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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Meter. Es quietschte und ruckte, aber der Wagen behielt immerhin Kurs in der Mitte der Straße. Wir beschleunigten,
     in der Ferne kamen Autos näher.
    Dann schossen sie einen weiteren Reifen kaputt, links hinten. Jetzt war der BMW nicht mehr zu kontrollieren. Ich musste langsamer
     werden – oder wir mussten raus. Langsamer werden war keine gute Idee. Ich konnte sie im Rückspiegel hinter uns her rennen
     sehen. Ziel aufs Feld, fahr ins lange Gras, weiter weg, so weit wie möglich! Eine letzte Beschleunigung, achtzig, neunzig
     Meter, Rand, Kies, Gras …
    Der Wagen durchschlug den Zaun, Drähte schnappten mit einem Surren zur Seite. Ich bremste brutal, eine letzte Kurve, seitlich
     ins Gras, der Motor soff ab. Plötzlich war es still.
    »Raus!«
    Emma öffnete ihre Tür, kam aber nicht raus. Ich löste meinen Sicherheitsgurt und wandte mich in ihre Richtung.
    »Der Gurt ist noch geschlossen.« Ich achtete darauf, dass meine Stimme ruhig blieb, während ich ihren Sitzgurt löste.
    »Raus. Sofort!« Ich öffnete meine Tür und sprang heraus, sie war schon draußen, ich packte sie bei der Hand und zerrte sie
     hinter mir her.
    »Moment«, kreischte sie, Angst im Gesicht, aber sie wandte sich um und tauchte noch einmal in den Wagen. Sie packte ihre Handtasche
     und griff nach meiner Hand.
    Ein Zug pfiff. Nordwestlich von uns. Ich zog Emma mit, und wir rannten.
    »Kopf runter«, rief ich. Das Gras war hier nicht so hoch wie am Straßenrand. Mopani-Bäume und Dornenbüsche verdeckten uns.
     Ein Schuss knallte hinter uns. Eine Pistole. Die Kugel sauste rechts an uns vorbei.
    Der Scharfschütze mit dem Gewehr, der mit großem Geschick unsere Reifen zerschossen hatte, war irgendwo im Westen, im Südwesten,
     ich konnte ihn nicht sehen. Zwei Balaclavas hinter uns. Drei insgesamt?
    |160| Handschuhe? In dieser Hitze?
    Noch zwei Schüsse. Ziellos. Sie wussten nicht genau, wo wir waren.
    Das Rumpeln des Zuges, jetzt direkt nördlich. Die Gleise waren irgendwo vor uns. Aber wo? Ich konnte sie nicht sehen. Ich
     beschleunigte, zerrte Emma hinter mir her. Ameisenbärloch. Ich sprang. Emma stürzte, und ihre Hand glitt aus meiner. Ich wirbelte
     herum, sie lag ausgestreckt da. Mit den Händen hatte sie versucht, den Fall abzufedern, ihr Kopf war gegen irgendetwas geschlagen,
     einen Stein oder einen Baumstumpf. Emma blutete, eine zwei Zentimeter lange Wunde an der Wange, neben dem Auge. Ich zog sie
     hoch.
    »Weiter«, sagte ich. Ihr Blick war benommen. Ich schaute zurück. Unsere Verfolger liefen durch das Gras und die Büsche, rannten
     auf uns zu.
    »Lemmer …«
    Ich zog sie bei der Hand. »Wir müssen laufen.«
    »Ich habe …«, Emma hob die Hand an die Rippen, atemlos, … mich verletzt.«
    »Später! Wir müssen weiter.« Ihr Mund stand offen, sie atmete keuchend, ihre Wange blutete, wir waren zu langsam.
    Der Zug.
    Der Lärm erfüllte unsere Ohren, er war nah, ich konnte ihn sehen. Eine Diesellokomotive, ein Güterzug, ein donnernder brauner
     Tausendfüßler. Zu schnell, er fuhr zu schnell. Zwischen uns und der Betriebsstraße der Bahn ein Stacheldraht, dann ging es
     noch einen Meter das Kiesbett hoch bis zu den Gleisen.
    Ich zerrte Emma dorthin. Wir hatten keine Zeit, über den Zaun zu klettern. Ich packte sie, beide Hände um ihre Brust.
    »Nein«, schrie sie. Sie keuchte wegen ihrer schmerzenden Rippen. Ich hievte sie über den Stacheldraht, und sie stürzte auf
     die andere Seite. Ich rannte, sprang drei Meter weiter darüber. Emma versuchte aufzustehen. Ich schaute zurück. Die Männer
     kamen. Siebzig Meter. Oder sechzig. Zwei. Sie hielten an. Winkten jemand zu. Dann sah ich ihn, direkt im Süden. |161| Der Mann mit dem Gewehr. Ein großer Mann, weiß, in Tarnklamotten, mit Baseballkappe. Er ließ sich zu Boden fallen. Die Balaclava-Männer
     schauten wieder zu uns und begannen zu laufen.
    Ich erreichte Emma, sie krümmte sich. Ihre Lippen formten »Lemmer«, aber der Zug übertönte jeden Laut. Sie sah schlimm aus,
     Blut auf der Wange, am Hals, der Schnitt war tief, aber ihre Hand lag auf ihren Rippen.
    Keine Zeit.
    Ich rief: »Das wird jetzt weh tun.« Ich schob meine linke Hand in ihren Rücken, packte sie fest und lief das Kiesbett hoch.
     Ihre Handtasche blieb im Gras zurück. Egal, wir rannten neben dem Zug entlang. Er war zu schnell, aber unsere einzige Chance.
     Ich streckte meine rechte Hand aus, wartete auf den nächsten Waggon. Ich packte zu, und das Metall schlug gegen meine Hand.
     Schmerz. Ich

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