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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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rannte, wartete auf den nächsten. Packte wieder eine Metallstange. Der Waggon riss uns mit. Ich klammerte mich
     an Emma, schwang sie hoch. Zu viel Gewicht in meinen Armen. Sehnen und Muskeln kreischten, hoch zwischen die Waggons. Wir
     trafen auf Metall, mein Kopf schlug gegen die Seite, Schwindel, ich hielt Emma fest. Meine Füße tasteten nach Halt, nach Gleichgewicht.
     Ich zog sie zu mir, hielt sie dicht an mir, ihre Hände packten meine Schultern. Sie schrie etwas, das ich nicht hören konnte.
    Wir würden es schaffen.
    Ich schaute aufs Feld. Die Balaclavas standen still.
    Der Scharfschütze lag auf dem Bauch, die Waffe vor sich, Stativ, Teleskop eigenartig, ungewöhnlich, anders. Der Gewehrlauf
     folgte der Bewegung des Zugs, folgte uns.
    Ein Rauchwölkchen aus der Waffe. Dann war er verschwunden, aus meinem Blickfeld, aber Emma zuckte in meinen Armen und stürzte.
     Sie kippte weg von mir. Ich packte zu, erwischte den dünnen Stoff ihres T-Shirts mit den Fingern. Ich hielt daran fest, ein
     Strohhalm.
    Es begann zu reißen. Ich sah das Blut oben auf ihrer Brust, die Austrittswunde. Er hatte Emma getroffen. Wut explodierte |162| in mir. Der Stoff zerfetzte, sie fiel in Zeitlupe, mit geschlossenen Augen, eine Lumpenpuppe. Dann war sie weg, nur ein Stückchen
     T-Shirt blieb in meiner Hand.
    Ich sprang vom Zug. Zu lange in der Luft, Stein und Gras huschten vorüber. Ich traf auf den Boden, meine Schulter schlug auf,
     ein Hammerschlag des Schmerzes. Ich war atemlos. Ich rollte herum. Etwas stach mich. Scharf und plötzlich. Ich rollte, trat
     nach etwas, rollte, rollte. Hielt. Ich konnte nicht hoch. Keine Luft. Ich musste Emma finden. Meine Schulter musste ausgerenkt
     sein, mit dem rechten Arm war etwas nicht in Ordnung, vor und neben mir Schmerz. Ich konnte nicht atmen, versuchte aufzustehen,
     keuchte, zwang Luft in meine Lungen, Schulterschmerzen. Ich keuchte wie ein Bulle, musste atmen. Ich taumelte, lief und fiel.
     Richtete mich auf. Da lag sie. Totenstill.
    »Emma« – aber das Wort kam nicht heraus, nicht genug Luft.
    Sie lag auf dem Gesicht. Blut an ihrem Kopf. Hinten. Zu viel Blut. Blut auf ihrem Rücken. Da war die Einschusswunde. Ich drehte
     sie mit der linken Hand herum. Sie war nicht bei Bewusstsein, ihr Körper schlaff. O Gott, bitte, ich presste meine Brust an
     ihre, schob meine linke Hand hinter ihren Rücken, drückte sie an mich, stand auf. Sie hing über meiner Schulter, leblos. Atmete
     sie?
    Der Zug war weg.
    Die Sturmhauben kamen.
    Ich musste rennen. Trug Emma.
    Taumelte. Wie sollte ich über den Zaun gelangen? Ich rannte auf die andere Seite der Gleise, weg von ihnen. Ich musste über
     den Zaun. Konnte nicht.
    Da war ein Tor. Wie ein Hochtor. Die Einfahrt zur Betriebsstraße. Da mussten wir rüber. Ich musste das Tor herunterdrücken,
     mich darüber schwingen und springen. Ich rannte, stolperte, taumelte. Ich musste meinen rechten Arm benutzen, aber würde er
     halten? Ich drückte meinen rechten Arm auf das Tor, schwang meine Beine und Emma hinüber. Es war |163| ein unwirklicher Augenblick in der Luft, der Arm würde das nicht schaffen. Er gab nach, entsetzlicher Schmerz, meine rechte
     Hüfte traf die Oberseite des Tors. Wir rollten hinüber, auf meinen Rücken, Emma obenauf, Gott sei Dank. Ich musste aufstehen,
     Emma wurde immer schwerer. Ich schaffte es auf die Knie, meine linke Hand war glitschig vom Blut von Emmas Rücken.
    Ich war auf den Beinen. Sie zitterten.
    Lauf! Bäume. Da waren Bäume, die Baumlinie in zwanzig Meter Entfernung, das Rumpeln des Zuges verklang. Ich hörte sie hinter
     mir rufen. Wir mussten die Bäume erreichen. Meine Knie klagten, meine Schulter war zum Teufel, der Schmerz war eine Welle,
     die sich zu überschlagen drohte. Du musst leben, Emma le Roux, du musst leben.
    Zwischen die Bäume. Ein Fußweg, ein Wildwechsel. Ich lief, taumelte, durch die Mopanis vor mir. Folge nicht dem Weg – das
     werden sie tun. Ich bog ab, nach rechts. Ich konnte Rauch riechen, brennendes Holz. Waren Menschen in der Nähe?
    Schau, wo du hintrittst, mach keinen Laut, lauf tiefer in den Busch. Ich hatte keinen Atem mehr, meine Brust stand in Flammen,
     die Beine taub, die Schulter ausgerenkt. Die Bäume öffneten sich, und dort waren Hütten, ein einfaches Fleckchen, fünf Frauen
     um ein Feuer. Drei Kinder spielten im Staub, eines war auf den Rücken einer Frau gebunden. Kochtöpfe. Die Frauen beugten sich
     über die Töpfe. Sie hörten mich und schauten mit weit

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