Weißer Schatten
aufgerissenen Augen auf. Sie sahen einen verrückten Weißen mit einer
blutenden Frau auf der Schulter. Ich hörte die Balaclavas hinter mir rufen. Zu nah. Wir würden es nicht schaffen.
Ich rannte auf die mittlere Hütte zu. Die Tür war angelehnt, ich lief hinein, stieß die Tür mit der Hüfte zu. Zwei Matratzen
am Boden. Ein kleiner Tisch mit einem Radio darauf. Ich legte Emma hin und schaute zur Tür. Wenn der Erste hereinkam, würde
ich ihm die Waffe entreißen müssen. Mit einer Hand? Nicht zu schaffen. Meine einzige Chance.
Ich versuchte zu lauschen. Es war totenstill. Es gab einen |164| Spalt neben der Tür, ich spähte hindurch. Sie kamen aus dem Busch, ebenso überrascht von den Hütten, blieben stehen, sahen
die Frauen, schwangen die Pistolen. Sagten etwas in einer Stammessprache. Keine Antwort. Ich konnte die Frauen am Feuer nicht
sehen. Eine Sturmhaube rief etwas, bedrohlich und streng. Eine Frauenstimme antwortete ihm mit Angst in der Stimme. Sie starrten
sie einen Augenblick an, dann liefen sie davon. Weg, aus meinem Blickfeld.
Ich lauschte. Ein Kind schrie. Dann ein zweites. Frauenstimmen beruhigten sie.
Hatten die Frauen sie in die Irre geschickt?
Ich ging hinüber zur Matratze. Emma lag zu still da. Ich legte mein Ohr an ihren Mund. Sie atmete unregelmäßig. Nicht gut.
Zu viel Blut auf ihrer Brust. In ihrem Haar, auf ihrem Hals, ihrer Wange. Ich musste sie ins Krankenhaus bringen.
Sofort
.
Die Tür öffnete sich. Eine Frau stand unsicher da.
»
Is hulle weg
?«, fragte ich.
Keine Reaktion.
»Sind sie weg?«
Sie sagte etwas, was ich nicht verstand. Sie sah Emma an.
»Doktor«, sagte ich.
»Doktor«, wiederholte sie und nickte.
»Schnell.«
Wieder ein Nicken. »Schnell.«
Sie wandte sich um und rief drängend nach jemand.
Die Welle brach.
|165| 21
Er hieß Goodwill und fuhr wie ein Wahnsinniger.
Er sah zu jung aus, um einen Führerschein zu haben. Der Toyota Hi Ace war vier Jahre alt und hatte 250000 Kilometer auf dem
Tacho. Erst stritt er sich mit mir. »Die Klinik in Hoedspruit ist scheiße, wir müssen nach Nelspruit. Ins Krankenhaus.«
»Wir haben keine Zeit.«
»Doch, wir schaffen es. Ich fahre schnell.«
»Nein, bitte.«
»In Hoedspruit gibt es keinen Arzt, nur Schwestern. Die wissen nichts.« Goodwill bog an der Kreuzung, wo sie uns angegriffen
hatten, rechts ab. »Vertrau mir.«
Ich zögerte.
»Dann beeil dich besser.«
»Klar.« Er gab Vollgas.
Ich hielt Emma in meinen Armen auf dem Mittelsitz, und Goodwill fuhr mit angeschalteter Warnblinkleuchte und quietschenden
Reifen und drückte mächtig auf die Hupe. Ich spürte sie zucken, ich spürte wie das Leben aus ihr heraussickerte. Ich sagte
zu ihr: »Emma, du darfst nicht sterben, bitte, Emma, du darfst nicht sterben.«
Der Doktor bog meine Schulter zurück in die Gelenkpfanne, und ich wollte ihn in diesem Moment
bliksem
, ihm ins Gesicht schlagen, es war so ein unerträglicher Schmerz, aber dann war er schnell vorüber. Er trat zurück und sagte:
»
Jissie
, Mann, ich dachte schon, Sie wollten mich schlagen.« Er war Mitte fünfzig und rund wie ein Fass.
»Verdammt, Doc, das hätte ich auch fast.«
Er lachte.
|166| »Rufen Sie an, Doc. Ich muss es wissen.«
»Ich habe Ihnen doch schon …«
»Sie haben gesagt, wir müssen erst mal den Arm einrenken, dann können wir anrufen.«
»Nachher.«
»Jetzt.«
»Das bringt nichts. Sie ist im OP.«
»Wo ist der OP?«
»Ich gebe Ihnen erst mal was gegen Entzündungen«, sagte er und nahm eine Spritze aus einer Schublade. »Und gegen die Schmerzen.
Außerdem muss ich die Schnittwunde behandeln.«
»Welche Schnittwunde?«
»Auf ihrem rechten Bizeps.«
»Doc, wo ist der OP?«
»Hinsetzen.«
»Nein, Doc …«
Plötzlich wurde er wütend. »Hören Sie zu, Mann! Wenn Sie sich mit mir schlagen wollen, dann jetzt. Denn ich werde gleich richtig
sauer. Sehen Sie sich nur an! Sie zittern wie Schilf, Sie hyperventilieren, Sie haben einen Schock, Sie bluten und sind dreckig
wie ein Schwein. Und so wollen Sie in den OP reinmarschieren? Die werfen Sie sowieso raus, das kann ich Ihnen sagen. Also
setzen Sie sich da hin, damit ich Ihnen eine Spritze geben und die Wunde säubern kann. Dann werden Sie eine Tablette nehmen,
um sich zu beruhigen. Und danach werden Sie sich waschen und warten, bis das OP-Team herauskommt und uns sagt, wie es steht.«
Ich starrte ihn an.
»Arsch auf den Stuhl.«
Ich ging hinüber zum Stuhl, setzte
Weitere Kostenlose Bücher