Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
Vom Netzwerk:
und überreichte ihm die Klinge.
    »Tu du es! Immerhin sind es zwei deiner Kinder, die heute ihr Leben lassen müssen.«
    Joachim Krapf entzündete derweil Fackeln, die er an Eichelhuber, Schober und die Hoeflinger weiterreichte. Die Erwachsenen verteilten sich im Halbkreis vor den Statuen.
    »Feige Sau!«, brüllte Robert immer wieder und zerrte an seinen Fesseln. »Nicht einmal dazu hast du den Mut, du verdammter Wichser! Binde mich los, dann zeige ich dir, wie man jemanden aufschlitzt!«
    Niklas, der zusammengesunken hinter Robert in den Seilen hing, wimmerte nur noch. Elke dachte daran, an ihren Vater zu appellieren, doch zugleich wusste sie, dass das nichts bringen würde. Strobel hatte bei ihm ganze Arbeit geleistet. Erschöpft wandte sie sich Miriam zu, die blass dastand. Die Lippen ihrer Schwester bewegten sich. Offenbar betete sie.
    »Es tut mir so leid, Miriam«, stammelte Elke. »Das habe ich nicht gewollt. Weder damals noch heute. Kannst du mir verzeihen?«
    Miriam sah sie aus geröteten Augen an und versuchte sich an einem Lächeln. Es zerfaserte. »Es gibt nichts zu verzeihen, Elke. Wir sind Schwestern. Und wir beide wissen nur zu gut, dass das hier tatsächlich nicht das Ende ist. Das ist erst der Anfang. Von etwas Neuem …«
    Ihrer beider Vater stolperte nun mit dem Messer in der Hand auf sie zu, während seine vier Begleiter die Fackeln erhoben und einen düsteren liturgischen Gesang anstimmten. Elke versuchte das Zittern ihres Körpers unter Kontrolle zu bekommen. Doch sie schaffte es nicht. Dennoch beschloss sie, so würdevoll wie möglich zu sterben. Gefasst sah sie ihrem Vater entgegen.
    »Komm her, Vater. Denn ich war einst Anna. Tu, was du nicht lassen kannst. Aber verlasse dich darauf, es gibt höhere Mächte, die dich für deine Tat richten werden.« Ihr Vater blieb stehen und sah sie furchtsam an. Seine Augen füllten sich mit Tränen, und die Lippen unter seinem Bart verzogen sich vor Kummer. Er hob das Messer, doch die Hand sank sogleich wieder nieder. Plötzlich stürzte er gebeugten Hauptes vor ihr in den Schnee und schluchzte. »Es tut mir so leid, mein Engel. Ich …« Er ließ das Messer kraftlos in den Schnee fallen und barg sein Gesicht zwischen den Händen. »Ich kann das nicht«, schrie er. »Ich kann das einfach nicht.«
    Niklas’ Vater steckte seine Fackel wütend in den Schnee, löste sich aus dem Reigen der Umstehenden und ergriff selbst die Klinge. »Verdammter Waschlappen. Dann bringe ich es eben zu Ende.«
    »Gar nichts werden Sie!« Ein Schatten trat hinter den Erwachsenen aus dem Wald. Mein Gott, das war Andy! Elke stieß einen leisen Schrei aus. Ihr Freund hielt ein Gewehr in der Hand. »Lassen Sie das verdammte Messer fallen, sonst knalle ich Sie über den Haufen. Ich schwöre ihnen, ich blase Ihnen allen den Kopf weg, wenn Sie meine Freunde nicht sofort freilassen!«
    Andreas betrat schwer atmend die Lichtung mit den drei Bethenstatuen und zielte mit dem Jagdgewehr seines Vaters geradewegs auf Eichelhuber. Niklas’ Vater wandte sich ebenso ungläubig zu ihm, wie die anderen Erwachsenen. Endlich stellten diese ihren monotonen Singsang ein und eine Weile war nur noch das Knistern der Fackeln zu hören. Rauch wehte ihm entgegen. Teufel, sogar Krapf und diese Frau Hoeflinger gehörten diesem finsteren Keltenkult an. Diese fünf Wahnsinnigen glaubten offenbar allen Ernstes daran, den Schrecken Perchtals mit ihrem dilettantisch anmutenden Opferritual in die Knie zwingen zu können. Obwohl, waren die Männer und Frauen wirklich wahnsinnig? Dass ausgerechnet Elkes Vater Zweifel an seinem Tun gekommen waren, stimmte ihn da nicht sicherer.
    »Leg die Waffe weg, Bub«, forderte ihn der Bürgermeister auf. »Du machst dich damit nur unglücklich.«
    »Halten Sie ihre verdammte Schnauze!«, fuhr ihn Andreas an., »Glauben Sie, ich werde einfach zusehen, wie Sie hier meine Freunde abschlachten?« Niklas’ Vater leckte sich fahrig über die Lippen. Er stand keine zwei Schritte von Elke entfernt und noch immer blitzte das Messer in seiner Hand.
    »Du wagst das nicht, Andreas.« Er lächelte nervös. »Du hast doch keine Ahnung, wie es ist, einen Menschen zu erschießen?«
    »Selbstgefälliges Dreckschwein!« Andreas spannte den Hahn und ging mit erhobener Waffe auf ihn zu. Er hoffte, dass sein Bluff fruchtete und er nicht gezwungen war, tatsächlich abzudrücken. Sollten diese Irren feststellte, dass sein Gewehr nicht geladen war, würden sie über ihn herfallen, wie Wölfe über

Weitere Kostenlose Bücher