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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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ein Rehkitz. »Sie werde ich als Erstes abknallen.« Mit dem Mut der Verzweiflung zielte er auf die Stelle zwischen seinen Beinen. »Dabei ist es vielleicht nicht einmal nötig, Sie ganz umzubringen. Nur so ein bisschen, verstehen Sie? Denn sollten Sie überleben, dann verspreche ich Ihnen, dass zukünftig alle ›Frau Eichelhuber‹ zu Ihnen sagen werden. Und jetzt lassen Sie das Messer fallen, oder ich beweise Ihnen, wie scheißegal mir Ihr Leben ist.«
    Der Mann sah mit flackerndem Blick zu seinen Mitverschwörern, die ihrerseits wie auf dem Sprung wirkten. Andreas wusste, dass er sich keinen Fehler erlauben durfte. »Ganz ruhig, Kleiner. Ich mach’s ja.« Eichelhuber ließ das Messer fallen, direkt neben Herrn Bierbichler, der noch immer im Schnee kniete und offenbar nicht wusste, wie er sich verhalten sollte.
    »Und jetzt zurück zum Waldrand. Alle beide!«, befahl Andreas. »Und hübsch die Hände hoch!« Langsam wich Eichelhuber vor ihm zurück, und auch Elkes und Miriams Vater erhob sich, um dem Befehl Folge zu leisten. Sofort bückte sich Andreas und nahm das Messer an sich. Rücklings näherte er sich der hohen Perchtastatue, an die Elke gefesselte war. Er nahm die Schusswaffe mit der Rechten in Anschlag und säbelte mit der Linken solange an Elkes Stricken, bis das Seil zu Boden fiel. Hastig drückte er seiner Freundin die Klinge in die Hand. Elke hastete rüber zu Miriam und säbelte auch an ihren Fesseln.
    »Woher hast du die Waffe eigentlich, Bub?«, fragte Krapf herausfordernd.
    »Damit wurde schon einmal ein Mensch vom Leben in den Tod befördert«, antwortete Andreas feindselig. »Meine Mutter!«
    »Ach, deine törichte Mutter?« Krapf ließ die Arme respektlos sinken. »Dann ist das da die Jagdflinte deines Vater? Etwa die Waffe, aus der ich damals den Schlagbolzen entfernt habe?« Andreas starrte den Feuerwehrmann ebenso überrascht an wie alle Übrigen. Niklas’ Vater brüllte triumphierend auf, riss der Hoeflinger die Fackel aus der Hand und hetzte damit auf ihn zu.
    »Andy, pass auf!«, brüllte Robert. Schober und Krapf folgten Eichelhubers Beispiel, nur Elkes und Miriams Vater blieb neben der Hoeflinger stehen und sah dem Treiben wie betäubt zu. Da war Eichelhuber auch schon heran.
    »Elke, Miriam, haut ab! Schnell!« Andreas packte das Gewehr wie einen Knüppel, wich dem Schlag von Eichelhubers Fackel mit einer raschen Seitwärtsbewegung aus und schlug mit dem Gewehrlauf zu, als hielte er einen Vorschlaghammer in der Hand. Krachend erwischte der Kolben Niklas’ Vater am Kopf, der gurgelnd in den Schnee fiel. Doch gegen Schober und Krapf hatte er nicht den leisesten Hauch eine Chance. Die Männer waren bei ihm, bevor er das Gewehr abermals zum Schlag erheben konnte. Sie entwanden ihm die Waffe und schleuderten ihn gegen die Statue, an der Elke eben noch gefesselt gewesen war. Andreas prallte mit dem Kopf gegen den harten Stein und spürte, wie seine Augenbraue aufplatzte. Er schrie auf vor Schmerzen. Blut rann ihm in die Augen und tropfte auf Stein und Boden. Dennoch bekam er mit, wie drüben auch Miriams Fesseln fielen. Elke packte ihre Schwester und wollte bereits mit ihr fortlaufen, als sich die Hoeflinger in Bewegung setzte und sie wie eine Furie ansprang. Die Mädchen wehrten sich mit Händen und Füßen, doch die Frau krallte sich in ihrer Kleidung fest und schien nicht gewillt zu sein, die beiden entkommen zu lassen. Andreas hörte die Zwillinge schreien, während er sich verzweifelt gegen Schober und Krapf zur Wehr setzte, die nun versuchten, ihm den Arm auf den Rücken zu drehen.
    In diesem Moment geschah etwas Seltsames.
    Ein kalter Wind kam auf, der sich rauschend in den Wipfeln der Bäume brach und einen eigentümlich intensiven Holundergeruch mit sich brachte. Die Flammen der Fackeln sanken knisternd in sich zusammen, so als würde eine unsichtbare Macht sie ersticken. Andreas, dem das Blut die Sicht verschleierte, merkte, dass Schober und Krapf von ihm abließen und irritiert zum Lichtungsrand starrten. Auch Robert und Niklas, die die ganze Zeit über wild an ihren Fesseln gezerrt hatten, hielten wie gebannt inne. Frau Hoeflinger hingegen stieß einen panischen Schrei aus und ließ Elke und Miriam los. Andreas blinzelte sich das Blut weg und sah es jetzt auch. Zwischen den Tannen und Birken rund um sie herum materialisierten sich Kinder. Erst waren es ein halbes Dutzend, doch es wurden immer mehr. Sie umringten die Lichtung. Fahl leuchteten sie aus sich selbst heraus. Wie in

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