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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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gefrorene Wasserfläche in ein Wechselspiel aus Licht und Schatten. Dort, wo das Sonnenlicht den Schnee berührte, glitzerte es, so als ob Tausende kleiner Sterne auf dem See niedergegangen wären. Selbst die Uferbereiche wirkten in dem warmen Licht, als entstammten sie einer Märchenwelt. Die Bäume, jeder Ast, jeder Strauch, alles war von einer weißen Puderschicht bedeckt und schimmerte geheimnisvoll und unwirklich.
    »Siehst du die Jungs irgendwo?«, durchbrach Miriam die Stille. Sie fasste eine Familie aus dem Ort ins Auge, die der mittägliche Verdauungsspaziergang ebenfalls an den See getrieben hatte. Die Kinder saßen auf einem Schlitten und ließen sich von ihrem Vater vergnügt durch die weiße Pracht ziehen.
    »Nee, aber ich bin mir sicher, die kommen noch«, antwortete Elke, die Kaugummi kauend einen Mann auf Langlaufskiern beobachtete, der mitten auf dem See mit seinem Hund unterwegs war. »Wenn sie nicht wieder ihre Games zocken. Aber das muss uns ja nicht daran hindern, Spaß zu haben, oder?« Sie nickte Miriam zu, und schnell suchten sich die beiden Mädchen eine Parkbank, wo sie sich ihre Schlittschuhe anzogen. Miriam war inzwischen ziemlich froh darüber, dass Elke sie dazu überredet hatte, wärmere Sachen anzuziehen. Elke war überhaupt die Praktischere von ihnen beiden, und Miriam bewunderte ihre Zwillingsschwester dafür, dass sie immer so selbstsicher war und sich nie von ihrem Weg abbringen ließ. Kein Wunder, dass sich Andy in sie verknallt hatte. Miriam tat zwar so, als ob sie das lustig fände, aber insgeheim war sie schon ein bisschen neidisch auf Elke. Andy sah gut aus, war nett und großzügig. Wenn sie mal was brauchten und ihre Eltern nichts davon wissen durften, dann besorgte es Andy für sie einfach von seinem reichen Vater. Der schenkte ihm überhaupt alles, was er sich wünschte. Nur da war er nie. Angeblich ging das schon seit dem Selbstmord seiner Mutter so, und dafür tat ihr Andy manchmal ein bisschen leid. Obwohl, immer noch besser als ihr eigener Vater, der ihr mit seiner religiösen Eiferei zunehmend Angst einjagte.
    »Sieh mal!« Elke ließ ihr Kaugummi platzen und deutete zu einer unberührten Stelle auf dem See, die im Licht der Sonne besonders hell erstrahlte. »Rate mal, was ich jetzt machen werde?«
    Miriam grinste und beeilte sich damit, ihre Schlittschuhe zuzubinden. »Ich weiß schon, was: den ersten Schneeengel dieses Winters!« Kichernd stolperten die beiden Mädchen über die frostige Uferböschung, halfen sich gegenseitig auf die Eisfläche und stießen sich ab. Leichtfüßig glitten sie auf dem zugefrorenen See dahin, und Miriam genoss die feinen Kratzgeräusche, die ihre Kufen auf dem Eis machten. Auf dem See war es fast windstill, und im Sonnenschein war es sogar richtig warm. Miriam reckte ihr Gesicht dem Himmel entgegen und drehte sich mit geschlossenen Augen einmal im Kreis. »Wow, wie ich das vermisst habe!«
    Auch Elke lachte. Sie sauste an Miriam vorbei, um als Erste die Schneefläche zu erreichen, die sie ausgewählt hatte, und stoppte schwungvoll, als sie diese erreicht hatte. »Ich zuerst!« Schon legte sie sich mit dem Rücken auf das Eis, dann bewegte sie langsam die Arme auf und nieder, sodass der Schnee an den Seiten fortgeschoben wurde und die Konturen von Flügeln annahm.
    Miriam zog Elke wieder empor und klopfte ihr den Rücken ab. Anschließend betrachteten sie das Bild auf der Schneefläche. »Toll«, meinte Miriam begeistert. »Das ist der schönste Schneeengel, den wir je hinbekommen haben.«
    Sie wollte es ihrer Schwester gleichtun, als die Sonne jäh hinter den Wolken verschwand. Eine kalte Windböe kam auf, und Miriam sah, dass sich aus Richtung Berchtesgaden dunkle Schneewolken heranschoben, die nichts Gutes ahnen ließen. Von einem Moment zum anderen verfinsterte sich der Perchtensee, und das Eis unter dem Schneeengel schimmerte in kalter schwarzer Pracht. Pulverschnee wehte heran und veränderte das Abbild auf gespenstische Weise. Die Flügel waren plötzlich ausgefranst, und der Kopf bekam Dellen, die Hörner ähnelten. Einen Augenblick lang beschlich Miriam der unheimliche Eindruck, als steige eine schreckliche Gestalt aus der Tiefe des Sees zu ihnen auf. Selbst Elke starrte den Abdruck beklommen an.
    Unsicher ergriff sie Miriams Hand. »Weißt du was, wir drehen rasch ein paar Runden. Komm!« Gemeinsam wagten sie sich weiter auf den See hinaus, wo sie sich an einfachen Pirouetten und Sprüngen übten. Obwohl es spürbar kälter

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