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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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halten.
    Andreas suchte nach der Jeans und seinem Pullover. Obwohl er gestern vor dem Schlafengehen gelüftet hatte, stank es im Zimmer noch immer schwach nach Ravioli und Roberts Zigaretten. Andreas ignorierte den Teller mit den eingetrockneten Tomatensoßeresten vor dem Fernseher ebenso wie den überfüllten Aschenbecher neben dem Computer. Endlich fand er die Kleidungsstücke, und wie so oft erwischte er sich bei dem heimlichen Gedanken, dass er es gut fände, wenn ihn mal jemand für sein Chaos die Leviten lesen würde. Egal. Er wollte, dass der Tag schön würde.
    Andreas hatte sich gerade fertig angezogen, als er neben der Spielekonsole die drei Päckchen mit dem Juckpulver sah, die er unter der Woche in Berchtesgaden gekauft hatte. Richtig, er und Robert hatten ja noch etwas vor! Ein gemeines Grinsen kräuselte Andreas Lippen, und sein Entschluss stand fest: Er würde schnell frühstücken und dann Robert aufsuchen. Sie mussten die Sache noch heute durchziehen, denn morgen war es zu spät dafür. Andy verstaute die Tütchen gerade in seiner Hosentasche, als er unten im Haus einen quietschenden Laut vernahm. Es klang irgendwie unangenehm, so als ob Nägel über Glas fuhren.
    War sein Vater etwa doch da?
    Mehr springend als gehend schlüpfte Andreas in ein altes Paar Socken und flitzte die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. »Papa?«
    Doch unten war es so still wie immer.
    Andreas eilte in die Küche und sah sich um. Auf dem Küchentisch stand eine Einkaufstüte mit neuen Mikrowellengerichten, daneben lag ein Briefumschlag. Er öffnete ihn und fand darin zwei Fünfzig-Mark-Scheine sowie einen Notizzettel mit einer schludrigen Schrift, die Andreas leicht als die seines Vaters identifizierte:
    Konnte nur auf einen Sprung vorbeikommen. In der Tüte ist was zum Essen. Muss sofort wieder zurück nach Berchtesgaden. Weiß leider noch nicht, ob ich es morgen schaffe.
    Enttäuscht ließ Andreas den Zettel sinken. Sein Vater hatte nicht einmal mit ›Papa‹ unterzeichnet, so wie er es früher getan hatte. Scheiße, er hatte ihm doch fest in die Hand versprochen, dass er morgen beim Krampuslauf dabei sein würde!
    Erst jetzt entdeckte er den funkelnagelneuen Eishockeyschläger, der neben dem Küchentisch lehnte. Er bestand nicht etwa aus Holz, sondern aus dem neuen Verbundstoff Carbone. Andreas nahm ihn zur Hand und untersuchte ihn. Ganz so, wie es die Sportzeitschriften angepriesen hatten, wies er tatsächlich keine Klebestellen auf und bestand komplett aus einem Stück. Angeblich absorbierte er Vibrationen weit besser als die herkömmlichen Schläger und verringerte dadurch die Verletzungsgefahr. Und doch vertrieb auch dieses neue Geschenk seines Vaters nicht das schale Gefühl von Enttäuschung, das Andreas quälte.
    Er stellte den Schläger zurück und fragte sich wieder, was das für Geräusche gewesen waren, die er oben gehört hatte. War sein Vater etwa noch da? Aufgeregt stürmte er zur Haustür; sie war abgeschlossen. Er schlüpfte in ein Paar Pantoffel, fischte aufgewühlt nach dem Hausschlüssel in seiner Lederjacke neben dem Gäste-WC und sperrte auf. Draußen schneite es; kalte Luft schlug ihm entgegen, die nach dem Harz frisch geschlagener Bäume roch. Hastig sah er sich auf großen Vorhof des Sägewerks mit seinen Lager- und Werkhallen um. Der Platz war wie erwartet verlassen und bis hinüber zu der mit Planen abgedeckten Stellfläche mit den angelieferten Baumstämmen mit einer blütenweißen Decke Neuschnee überzogen. Obwohl, das stimmte nicht ganz. Einige Meter vor der Halle mit den Gatter- und Bandsägen waren Fußabdrücke zu sehen, die wie aus dem Nichts kommend auf das Haus zuführten. Doch nicht zum Eingang, sondern nach nebenan zu der Fahrradkellertreppe. Andreas schüttelte irritiert den Kopf und rannte ungeachtet der Kälte an einem der zugeschneiten LKWs vorbei, hinüber zu der Einfahrt zwischen der Rundholzsortieranlage und der Trockenhalle. Erst dort hielt er inne. Auf der Schneedecke zeichneten sich vage die Reifenspuren des Ferraris ab, den sein Vater fuhr. Sie reichten hinüber bis zum offenen Tor des Sägewerks, und auch sie waren bereits ein gutes Stück unter dem Neuschnee verschwunden. Sein Vater war also bereits vor einigen Stunden da gewesen. Und das, ohne ihn zu wecken. Fast so, als wäre er vor ihm geflüchtet …
    Andreas spürte, wie ihm die Augen brannten, während er mutterseelenallein in der Kälte stand und auf die Einfahrt blickte. Schnee drang ihm in Nacken und Pantoffeln,

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