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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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er sich. Warum ich? Ich bin der Letzte, den jemand als Krankenschwester oder Pfleger haben will. Er wartete darauf, dass der Krankenwagen anhielt, die Hecktüren aufgerissen wurden und ein reifer, verantwortungsbewusster Mensch mit der Tatkraft und Selbstsicherheit eines Experten in das Auto sprang und sagte: Okay, danke, dass Sie ihn bis hierher begleitet haben, Piers; Sie haben Ihren Teil getan, jetzt können Sie sich in einem Pub erholen. Diese Person würde freundlich, verständnisvoll lächeln und alles über ihn wissen: dass erein Trinker, ein Poet und ungeeignet für diesen Job war. Aber niemand erlöste ihn. Anscheinend nahmen sie ihn ernst. Sie schienen zu glauben, dass er am richtigen Platz sei. Der Wagen holperte weiter. Fawkes’ Hand blieb auf Roddys Schulter liegen. Es ist wie im Krieg, überlegte er, da werden die Leute auch zu Aufgaben abkommandiert, für die sie nicht ausgebildet sind, und sie erfüllen sie trotzdem.
    Im Krankenhaus wurde Roddy weggebracht. Die Sanitäter rollten den Jungen in die überfüllte Notaufnahme. Fawkes wurde angewiesen, auf der Bank im Korridor Platz zu nehmen. Er wartete. Endlich kam ein Arzt aus dem Untersuchungsraum. Er war kahlköpfig und wirkte angespannt. Sie würden Roddy in einer Spezialstation unterbringen, erklärte er. Musste Fawkes die Eltern verständigen? Selbstverständlich – aber wohin genau wurde Roddy verlegt? Ins Lungenzentrum, wo er mit einem Medikamentencocktail behandelt würde. Zu guter Letzt führte der Doktor die Statistiken über die Sterblichkeitsrate bei Tb-Erkrankten an. Noch ehe sich Fawkes davon erholen konnte, verschwand der Arzt, und der Repräsentant der Health Protection Agency, ein freundlicher Mann mit Schnauzbart und Ohrring, erschien. Fawkes sagte alles, was Mr. Ohrring wissen wollte, und füllte ein Formular aus. Dann ließ man ihn wieder allein.
    Er fühlte sich zittrig und schwach. Er verstand diese Dinge nicht. Dinge, die er nicht unter Kontrolle hatte. Er erinnerte sich genau an das halbe Dutzend Weinbars, an denen sie auf der Fahrt zur Klinik vorbeigekommen waren. Er roch den Alkohol aus der Ferne wie ein Hai, der Blut wittert. Gott, wenn er könnte, würde er sich eine dieser Gummiablagen mit Noppen schnappen, auf die einBarmann die Gläser abstellte und die alles, was überschwappte, und das Spülwasser auffingen, und die Flüssigkeit einsaugen, nur um den Geschmack von Wein und Ale im Mund zu haben. Er schloss die Augen, um seine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. Er wollte, er brauchte einen Drink. Kein Mensch wusste, wo er war. Roddy kam vorerst ohne ihn zurecht. Er würde losziehen und etwas trinken. Ein, zwei Bier, die ihn stabilisierten, wärmten. Oder einen Gin. Ihm war klar, dass er es nicht tun sollte. Trotzdem stand er auf. Er wäre nur dreißig Minuten weg. Vielleicht fünfundvierzig.
    In diesem Moment spürte er das Vibrieren seines Handys in der Jacketttasche. Er klappte das Telefon mit zitternden Händen auf. Voicemail .
    Seine Hände zitterten noch mehr, als er das Mobiltelefon anstarrte.
    Das genügte, um seinen Drang einzudämmen.
    Er würde nichts trinken.
    Das übermächtige Verlangen war abgeebbt.
    Gerettet .
    Was immer das für eine Botschaft sein mochte, er würde sich bis in alle Ewigkeiten an sie erinnern. Wahrscheinlich wollte ihm jemand eine Versicherung oder eine Reise nach Mallorca verkaufen. Er drückte auf eine Taste, um die Nachricht abzuhören. Eine vertraute Stimme  – wer war das, dieser Akzent? Andrew.
    Wenn Sie uns nicht abholen, weiß ich nicht, was geschieht.
    Ein ungewohntes Gefühl der Zuneigung durchflutete Fawkes. Er war engeren Beziehungen so lange aus dem Weg gegangen, dass er jetzt schon einen siebzehnjährigen Amerikaner, den er erst wenige Monate kannte, als Freund betrachtete. Er schlug die Hände vors Gesicht und fing anzu weinen. Seine Schultern bebten. Seine Hände wurden nass. Die Leute gingen ungerührt an ihm vorbei. Ein weinender Mann war nichts Ungewöhnliches in einem Hospital. Das Pflegepersonal wusste, dass man Trauernde in Ruhe lassen musste.
    Andrew lehnte sich erneut an einen Untersuchungstisch und erwartete einen weiteren Test. Die erste Schwester kam zu ihm und gab ihm seine Kleider zurück. Mittlerweile hatte er den Widerstand aufgegeben und war so passiv, dass er sich wie eine freigekaufte Geisel mit gebrochenem Willen vorkam, als er die Tüte in Empfang nahm. Sie bat ihn, die restlichen Formulare, die auf dem Schreibtisch lagen, auszufüllen. Jemand

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