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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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Tuberkulose-Patienten hier. Dabei ging es nicht um asiatische oder afrikanische Immigranten, die hergekommen sind, um Arbeit zu finden. Nein, es waren ordentliche Engländer – so schwach, dass sie nicht mehr gehen konnten. Viele Männer. Das Haus war voll. Wir mussten Betten frei machen und zusätzliches Equipment anschaffen und weitere Ärzte einstellen. Das Haus war überbelegt. Wir und das Pflegepersonal arbeiteten achtzehn, zwanzig Stunden täglich. Wir dachten, wir hätten es mit einer Epidemiezu tun. Ich ging todmüde nach Hause und konnte trotzdem nicht schlafen. Ich lag wach in meinem Bett und überlegte, wie wir London vor einer neuen Seuche bewahren können. Damals wussten wir noch nicht, dass HIV-Infizierte besonders anfällig für Tb sind. Das Immunsystem, das Sie und mich vor den Bakterien schützt, ist bei Aidspatienten geschädigt.« Er legte eine Pause ein. »Und auch jetzt ist das die einzige Erklärung.«
    »Und wenn sie das HI-Virus nicht haben? Heißt das dann, dass es ein besonders bösartiger Erregerstamm ist?«
    »Nein. Ein Tb-Erreger allein kann nicht derart potent sein. Wenn sie nicht mit HIV infiziert sind …« Dr. Minos zuckte mit den Schultern. »Dann weiß ich auch nicht …«
    »Aber was ist mit Theo? Man hat uns gesagt, er hatte –« Andrew suchte nach dem Wort – »Sarkoidose.«
    »Tatsächlich?« Er nickte. »Das ergibt einen Sinn. Der eine hat nekrotische Granulome, der andere nicht nekrotische.«
    »Wie?«
    »Auf dem Obduktionstisch sehen sie gleich aus. Eine Verwechslung. Beide verursachen Gewebeveränderungen in der Lunge. Die Lunge verwandelt sich sozusagen in Käse. Die Kultur von der Gewebeprobe hat den Irrtum sicher richtiggestellt.«
    Andrew stellte sich vor, wie graue Klumpen von Theos Lunge in einer Petrischale vermodern. Ihm wurde übel.
    Und plötzlich hatte er das Bild von John Harness vor Augen. Die eingefallenen Wangen, die weiße Haut. Den wilden, verzweifelten Blick.
    »Dann ist der rasche Krankheitsverlauf ein Mysterium?«, bohrte Andrew weiter. »Etwas, was Sie sich nicht erklären können.«
    »Stimmt.«
    »Kann dieses – wie heißt es noch mal? Mycobacterium in einem Gebäude überleben? Zum Beispiel in einem Studentenwohnhaus?«
    »Für wie lange?«
    »Zweihundert Jahre?«
    Der Doktor schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall.«
    »Wie sieht man aus, wenn man Tb hat? Wenn man nicht oder nur unzureichend wie vor zweihundert Jahren behandelt wird?«
    »Eine Behandlung wie vor zweihundert Jahren: Das habe ich in Afrika oft genug gesehen. Die Patienten sind zaundürr. Man hungert, weil man wegen der Läsionen im Rachen nicht essen kann. In einem späteren Stadium hustet man Blut. Aber an diesem Punkt …!«
    »Die Atmung – ist sie rasselnd, ein Röcheln?«
    »Das kommt vor.«
    »Wie klingt das?«
    Dr. Minos richtete den Blick zur Decke und überlegte. »Es gleicht dem Gurgeln einer Wasserpfeife«, sagte er. »Nekrotisches Sekret. Teigige abgestorbene Zellen, verflüssigt durch die Infektion.« Er musterte Andrew. »Warum wollen Sie das wissen? Haben Sie solche Symptome beobachtet?«
    Andrew ignorierte die Frage. »Sind Menschen – lebende Menschen, die diese Symptome haben, ansteckend?«
    »In hohem Maße. Selbst Verstorbene sind noch infektiös. Zum Glück hat sich der Pathologe, der die Autopsie am Ersterkrankten vorgenommen hat, nicht angesteckt.« Wieder sah er Andrew argwöhnisch an. »Gibt es da etwas, was Sie mir erzählen möchten?«
    »Nein.« Andrew schüttelte den Kopf.
    »Sicher?« Dr. Minos ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Ich bin nur neugierig.«
    Wir tun unser Bestes, um Ihnen dieses Stadium zu ersparen. Sie erhalten hier die bestmögliche ärztliche Versorgung. Deshalb werden Sie zunächst einer vierteiligen Untersuchung unterzogen. Der erste Teil waren die Röntgenaufnahmen  … Andrew hörte nicht mehr zu. Sein Puls raste. Er erinnerte sich an die Gestalt, die sich über Theo gebeugt hatte. An das Ächzen und Röcheln. Schwester Rachel wird den nächsten Test durchführen, erklärte der Arzt. Er und die Schwester tuschelten miteinander. Etwas schräger. Ja, so . »Spüren Sie das?«, fragte er Andrew. Er zuckte zusammen, als er den Stich im Arm fühlte. »Wir spritzen eine winzige Menge Tuberkulin unter Ihre Haut und warten ab, ob es eine Reaktion gibt. Ein guter Standardtest. Aber er wird uns lediglich verraten, ob Sie jemals infiziert wurden, nicht ob die Infektion aktiv oder latent ist. Rachel wird Ihnen jetzt Blut abnehmen

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