Weißer Teufel
Rothaarige hockte sich rittlings auf seine Brust, holte aus und schwang die Faust. Andrew bewegte gerade noch rechtzeitig den Kopf, um dem Schlag auszuweichen; er wurde lediglich am Ohr getroffen. Plötzlich ebbte der Angriff ab. Andrew rutschte hastig nach hinten und sah auf. Der kleinere Junge – das beinahe splitternackte Opfer, dessen Hemd noch in Fetzen von seinen Schultern hing, strangulierte den Widersacher. Er benutzte den Bademantelgürtel des potentiellen Vergewaltigers als Garrotte und zog zu. Sein Gegner fasste sich um Atem ringend an die Kehle.
»Hör auf«, forderte Andrew. »Ich bin okay. Lass ihn.«
Wütend zog der Junge den Gürtel noch fester zu.
»Verdammt noch mal, hör auf, Mann!«
Andrew löste die Finger des Jungen und nahm ihm den Gürtel aus den Händen. Der Rothaarige sank hustend und keuchend zusammen. Der Junge hatte immer noch nicht genug, doch Andrew stieß ihn zurück. »Ganz ruhig.«
Das Gesicht des Jungen war verzerrt vor Wut und Frustration, aber da war noch etwas. Andrew stutzte. Plötzlich spürte er unterschwellige Angst wie das Brummen und Vibrieren eines nahenden Zuges.
»Du bist jetzt außer Gefahr«, versicherte Andrew. »Alles ist gut.«
Der Junge drehte sich ihm zu, und sie sahen sich in die Augen. Andrew spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Anfangs hatte das Haar des Jungen relativ dunkelausgesehen, weil es nass war. Durch den Kampf hatten sich einige Strähnen gelockert. Sie waren länger und heller als ursprünglich gedacht – fast albinoweiß. Die Augen leuchteten strahlend blau.
Andrew überlegte fieberhaft, er suchte nach einer Verbindung, die er nicht herstellen konnte.
Der Junge, abgerissen und triefend nass, lächelte unterwürfig. Dieses Lächeln war so herzlich und einladend, wie sein Zorn erschreckend gewesen war.
»Du hast mich gerettet«, stellte er fest. Seine helle Knabenstimme zitterte.
Andrew wich zurück. »Wer bist du?«
»Das werde ich dir nicht vergessen«, sagte er und kam, ohne Andrew aus den Augen zu lassen, näher.
Andrew ging immer weiter zurück. Lass keine Berührung zu, ermahnte er sich. Wende den Blick nicht von ihm ab. Lass ihn nicht zu nahe kommen.
Der Junge befreite sich von den Resten seines Hemdes; die Hose hatte er längst nicht mehr an. Seine Brust war glatt, der Bauch leicht gewölbt, das Schamhaar blond und kaum sichtbar; er glühte in dem Licht, erhitzt durch die Angst und die Anstrengung.
»Sie wollten mich vergewaltigen«, sagte er. »Dich lass ich aus freien Stücken ran.«
Andrew schnappte nach Luft. Das Angebot machte ihn sprachlos. Erotik knisterte in der Luft. Die totale Unterwerfung . Der Junge näherte sich – glatte, feminine Beine – und bot sich an. Andrew wich unwillkürlich noch einen Schritt zurück.
Dann zog etwas seinen Blick auf sich. Zu seiner Rechten. Eine Kerze in einem angelaufenen Metallhalter. Das war die Quelle des matten Lichtscheins.
Moment – eine Kerze?
Der Junge kam schnell näher. Andrew ging rückwärts, bis er mit dem Fuß an etwas stieß. Klimpern von Metall auf den Fliesen. Ein Zischen.
Der Kerzenhalter.
Der Raum wurde dunkel.
»Hallo.«
Andrew war heiser. Von der Kellertreppe drang fluoreszierendes Licht bis in den Duschraum. Alles andere blieb im Dunkel.
»Seid ihr hier?«
Er erhob sich langsam, durchquerte den Raum und fand den Lichtschalter. Bläulich flackerndes Neonlicht flammte auf.
Chromduschköpfe. Seifenschalen. Andrew war ganz allein in dem Raum.
Andrews Gedanken rasten. Er hatte mit echten Menschen gekämpft. Er war schweißgebadet. Sein Rücken tat höllisch weh. Sein Hosenboden und die Hemdsärmel waren nass. Aber wo waren seine geschlagenen Gegner? Wo war der Junge mit den zerfetzten Kleidern? Andrew ging mit steifen Schritten auf die Badewanne auf dem Podest zu.
In der Wanne war Wasser. Bräunlich, leicht trüb – gebrauchtes Badewasser. Es war in Bewegung, als hätte man es erst kürzlich aufgerührt.
Andrew krempelte einen Ärmel hoch und strich mit den Fingerspitzen über die Wasseroberfläche. Das Wasser war noch angenehm warm.
6
Mrs. Byrons kurzer Rock
Andrew tastete sich durch einen dunklen Gang. War er hier richtig? Stimmte die Uhrzeit? Das Datum? Andrew wusste nicht mehr, durch welche Tür er gehen musste. Welche Regeln für ihn galten. Wer er war.
Er stieß eine Tür auf. Farben, Menschen, dampfende Wärme empfingen ihn.
»Lord … Byron«, verkündete eine Stimme.
Seine Augen gewöhnten sich an das Licht. Er
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