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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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Mit verschiedenen Schlüssen.« Sie schnaubte. »Die Launen großer Männer. In ihren Schulen weiß man, wie sie wirklich sind. Wir sehen die Entwicklung. Wie auch immer – das, was du suchst, ist dort hinten.«
    Sie setzte ihren Weg zum rückwärtigen Teil des Raumes fort und machte vor einem Regal mit großen in Leder gebundenen Folianten halt. Andrew spähte auf die Titel. Sie waren alle gleich.
    HARROW REGISTER
    »Darf ich mal sehen?«
    »Du darfst.«
    Andrew hievte einen der dicken Bände auf einen Tisch und schlug ihn vorsichtig auf.
    Rektor
    Rev. Joseph Drury. D.D.
    List of Harrow School, October 1800
    (Von einer Liste aus dem Besitz von Miss Oxenham)
    »Mr. Fawkes meinte, dass du an der Aufführung eines Theaterstücks interessiert bist«, sagte Dr. Kahn.
    »Das stimmt.«
    Andrew blätterte die Seiten um. Sie waren voller Einträge  – Namen, dann den Rubriken: Sohn von … , schulische Leistungen (Klassensprecher, Schulsprecher usw.), Universität und unausweichlich das Todesjahr. Einige hatten lange gelebt, andere nur kurz – all diese Einträge waren mit einem knappen Nachruf im Telegrammstil versehen. Andrew empfand unwillkürlich Ehrfurcht, weil er ein so altes Buch mit den Namen längst Verstorbener berührte. Die Geschichte und Tradition dieser Schule beeindruckten ihn. Die exzentrischen Begriffe, über die er vor seiner Ankunft in Harrow gelacht hatte –  Shells, Removes – , wurden hier schon im Jahr 1800 benutzt. Genau wie die Hausnamen. Headmaster’s. Headland. The Lot.
    TOWER, CHARLES (The Lot). Sohn von C. Tower Esq (oh). Weald Hall, Brentwood. Schulabgang 1802. Univ. Coll. Oxf, ba, 1805. Autor verschiedener religiöser Werke und einer tamilischen Grammatik. Gestorben am 25. Sept, 1825.
    »Kannst du mir mehr über das Theaterstück sagen?«, unterbrach Dr. Kahn seine Schnüffeleien.
    »Klar«, erwiderte er. »Es geht um The White Devil von John Webster.«
    »Willst du mir verraten, warum du dich dafür interessierst?«
    »Ich …«
    »Ja?« Dr. Kahn ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Recherche«, erklärte er lahm.
    »Natürlich. Und für deine Recherche  …«, sie betonte das Wort auf britische Art, als wollte sie ihn verbessern, »… möchtest du jeden Eintrag in all diesen Bänden lesen?«
    »Ich …«
    »Du wirst länger als dreißig Minuten brauchen.«
    Andrew drehte sich um und betrachtete die lange Buchreihe. Sie umfasste ein ganzes Jahrhundert.
    »Hat dich Mr. Fawkes auf meinen Titel hingewiesen?«, wollte sie wissen.
    »Titel?« Andrew rang nach Worten. »Sind Sie eine Lady oder so was?«
    Sie funkelte ihn böse an. Dann zuckten ihre Lippen, als müsste sie ein Lächeln unterdrücken.
    »Das«, meinte sie, »ist wohl die ignoranteste Frage, die mir an diesem Ort jemals gestellt wurde. Und die Konkurrenz ist stark. Nein, ich bin keine Lady. Ich bin Doktor Judith Kahn.«
    Andrew überlegte, ob er etwas dazu sagen oder lieber schweigen sollte.
    »Ich bin bekannt als Dr. Kahn«, fuhr sie fort. »Ich bin Doktor der Philosophie. Ich habe auch in Geschichte promoviert. In Cambridge, falls das wichtig für dich ist.«
    Andrew öffnete den Mund.
    Sie hielt eine Hand hoch. »Sag nichts. Ich bin nicht sicher, ob ich das ertragen könnte«, wehrte sie ab. »So, lass mich dir helfen.« Sie wartete, dann wiederholte sie: »Ich sagte: Lass mich dir helfen .«
    »Oh«, machte er hastig. »Ich hab kapiert. Könnten Sie mir bitte  … helfen? Bei der Suche nach The White Devil  …«
    »Von John Webster, ja, ja. 1804.«
    »Es wurde 1804 aufgeführt?«
    »Soweit ich weiß, war das die einzige Aufführung auf unserer Schulbühne.«
    »Das … wissen Sie so einfach?«
    »Ich habe nachgeschlagen. Das ist mein Job. Und du bist laut Mr. Fawkes nicht nur an dem Drama interessiert.«
    »Nein. Ich suche nach jemandem, der mitgespielt haben könnte.«
    »Ich hatte nicht die Zeit, auch das noch zu recherchieren, trotz der dringlichen Anfrage deines Hauslehrers. Männliche oder weibliche Rolle?«
    »Weibliche«, stammelte Andrew. »Wie kommen Sie auf diese Frage?«
    »In den meisten Stücken gibt es männliche und weibliche Rollen. Dazu muss man nicht hellsehen können. Aber wenn wir deinen Schüler ermitteln wollen, müssen wir wissen, in welchem Jahr er in diese Schule eingetreten ist – zumindest ungefähr. Und wenn er eine Frauenrolle gespielt hat …«
    »Muss er noch ziemlich jung gewesen sein«, ergänzte Andrew. »Vor dem Stimmbruch.«
    »Sehr gut.«
    »1803?«, schätzte

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