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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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sich in Grund und Boden, als eine skandinavische Touristenfamilie an ihnen vorbeiging und die Eltern ihre Kinder schützend an sich zogen.
    Miss Palek entfernte kurz ihren Mundschutz und führte sie durch die Lobby und einen langen Korridor zu den Aufzügen. In den Fluren schwirrten Ärzte in weißen Kitteln, Pfleger, Schwestern und Verwaltungsangestellte mit Namensschildern herum.
    Sie fuhren mit dem heruntergekommenen Fahrstuhl in den vierten Stock. Dort oben herrschte weniger Betrieb.
    »Dies ist unser Lungenzentrum«, verkündete Miss Palek mit einer Spur Stolz.
    Rhys und Andrew wurden von einer Schwester eingecheckt, und man erlaubte ihnen, die Masken abzunehmen.Sie gaben ihre Personalien an und beantworteten Fragen, dann wurden sie in einen Untersuchungsraum mit zwei Liegen und einem Vorhang dazwischen gebracht, wo sie ihre Kleider gegen ein Krankenhaushemd tauschen sollten. Sie gehorchten. Andrew störte, dass das dünne Hemd hinten offen war. Es verwandelte einen Bürger mit allen Rechten in einen Insassen  – einen Verdächtigen. Nach einer Weile kam eine andere Schwester herein und bat sie, ihre Kleider in Plastiktüten zu stecken, und nachdem sie die Tüten unter einem Schrank deponiert hatte, wusch sie sich sofort die Hände mit einem Desinfektionsmittel aus einem Spender.
    Eine dritte Schwester, älter, grauhaarig und mit autoritärer Ausstrahlung, watschelte mit einem Klemmbrett in den Raum und bedeutete Andrew, mit ihr zu kommen. Er hustete.
    Sie sah ihn alarmiert an. »Das klingt nicht gut.«
    »Ah, ich hab gestern Abend zu viel geraucht.«
    »Haben Sie diesen Husten schon lange?«
    »Seit ich rauche.«
    »Länger als einen Monat?«
    »Sicher.«
    Sie schnitt eine Grimasse.
    »Bitte legen Sie Ihre Maske an«, befahl sie.
    »Ach, kommen Sie …«, protestierte er. »Es ist ein einfacher Raucherhusten!«
    Ihr Blick war unnachgiebig. Er gab sich geschlagen.
    »Folgen Sie mir.«
    »Viel Spaß«, wünschte Rhys, der sich auf die Liege fallen ließ und die behaarten Beine von sich streckte.
    Die Schwester führte Andrew in eine kleine, kahle Kammer mit einem Untersuchungstisch und einer in ein Metallgehäuseeingelassenen Röntgenkamera, die an einem flexiblen, an der Wand befestigten Arm hin- und hergeschwenkt werden konnte. Die Schwester erklärte, dass sie Aufnahmen von seinem Brustkorb machen würden.
    »Von meinem Brustkorb«, wiederholte er.
    »Ganz recht.«
    Er musste sich auf den Tisch legen, und sie verließ den Raum. Sie kam etliche Male zurück, um Andrews Position zu verändern. So entstanden Aufnahmen aus unterschiedlichen Winkeln. Das Vinyl des Tisches fühlte sich kalt an seinem bloßen Rücken an. Endlich erlöste sie ihn und begleitete ihn in ein anderes Untersuchungszimmer.
    Dort wartete er in seinem windigen Hemdchen. Nach langer Zeit erschien ein Arzt. Er war Mitte vierzig, kräftig mit rasiertem Schädel und außergewöhnlich dichten Wimpern. Er stellte sich als Dr. Minos vor. Eine weitere Schwester kam herein, klein, mit Kurzhaarschnitt und doppelten Ohrringen. Sie trug einen Mundschutz und hantierte in einer Ecke. Sie riss die Plastikverpackung von Instrumenten auf. Andrew beobachtete sie argwöhnisch. Der Doktor legte einen Mundschutz an, so dass von ihm nur noch der kahle Kopf und diese üppigen Wimpern zu sehen waren.
    »Ich werde jetzt einige Tests durchführen«, erklärte er. »Wir gehen die Sache dynamischer an als üblich. Sie haben Symptome.«
    »Was?«, fragte Andrew. »Oh, Sie meinen den Husten? Ich hab der Schwester bereits gesagt, dass es ein Raucherhusten ist.«
    Prompt verspürte er ein Kratzen im Hals und musste husten.
    »Sie sind verschleimt«, stellte der Arzt fest.
    »Oh, bitte«, gab Andrew aufgebracht zurück. »Wie groß ist die Chance, dass ich Tb habe?«
    »Sie waren dem Erreger ausgesetzt – demnach besteht eine hundertprozentige Chance.«
    Andrew riss die Augen auf.
    Der Doktor lachte freudlos. »Ich weiß, was Sie denken. In England? In Harrow? O ja, mein junger Freund. Millionen Menschen tragen das Tb-Bakterium in sich. Es ist überall. In der Luft. In geschlossenen Räumen. In der U-Bahn. In Restaurants. Es wird durch Husten wie Ihren und Sputum verbreitet. Andere atmen es ein. In den meisten Fällen wird das Immunsystem mit dem Erreger fertig. Aber eben nicht immer.« Er schlug einen sanfteren Ton an, als er Andrews Unbehagen bemerkte. »Sie haben viel Zeit mit dem Ersterkrankten verbracht. Erzählen Sie mir, in welcher Beziehung Sie zu ihm

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