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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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seine Anwesenheit nichts Gutes verhieß.
    Roddy ist tot, dachten alle im Stillen.
    »Taylor«, sagte der Rektor. »Ich muss dich sprechen.«
    Andrew stand auf.
    »Ist Davies da? Rhys Davies?«, wollte der Rektor wissen.
    »Nein, er ist bei Mr. Macrae«, antwortete Andrew. Der Rektor bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Sir«, fügte Andrew hinzu.
    »Gut, Jemand soll ihn holen. Du.« Der Rektor zeigte auf einen Schüler aus der Mittelstufe. »Sag ihm, dass wir am Tor auf ihn warten.« Der Junge rannte los. Der Rektor bedeutete Andrew mit gekrümmtem Zeigefinger, ihm zu folgen. Andrew fragte sich zusammen mit allen anderen Anwesenden, ob der Rektor seine letzten Worte Leck mich mitbekommen hatte – insbesondere St. John lachte sich bei dem Gedanken ins Fäustchen.
    Sie warteten unter der Platane. Der Rektor sagte nichts. Was immer sein Besuch zu bedeuten hatte, es musste etwas Schlimmeres sein als tadelnswerte Redensarten.
    Endlich kam Rhys zielstrebig und voller Energie über die Einfahrt – ein Haussprecher, der im vollen Sonntagsstaat bereit war, in Aktion zu treten. Jute sparte sich eine Begrüßung. Er drehte sich lediglich um und winkte sie zur High Street. In seiner Freizeitkleidung (graue Hose, grüne Jacke) wirkte er wie jemand, dessen sonntägliche Zeitungslektüre durch schlechte Nachrichten gestört worden war. Andrew trottete neben ihm her wie ein Gefangener. Er konnte nur vermuten, dass Roddy ernsthaft krank war oder dass er selbst wegen unerlaubter Abwesenheit gefeuert werden sollte und Rhys auch in Schwierigkeiten war, weil er ihn gedeckt hatte.
    In Jutes Büro saß eine Frau. Schmächtig, in den Fünfzigern – eine Inderin mit vielen und langen schwarzen Haaren und einem modischen Baumwollkleid.
    »Jungs, das ist Miss Palek.«
    Sie stellten sich ihr vor.
    »Ich komme von der Health Protection Agency«, sagte sie. Sie hatte eine besänftigende Altstimme und große, sanfte Augen.
    »Geht es um Roddy?«, fragte Andrew ungläubig.
    Sie schürzte die Lippen. »Es gab einen infektiösen Krankheitsfall, und wir glauben, dass Sie dem Erreger ausgesetzt waren.«
    Andrew sank der Mut.
    Ich bin Krankenschwester, fuhr sie fort. Sie arbeitete für die Health Protection Agency im nordwestlichen Bereich von London. Zu ihren Aufgaben, die sie sehr ernst nahm, gehörte, die Ausbreitung epidemischer Krankheiten zu verhindern oder zumindest einzudämmen.
    Andrews Herz pochte.
    Vor wenigen Wochen sei einer ihrer Klassenkameraden an einer Lungeninfektion verstorben, fuhr Miss Palek fort.
    Rhys und Andrew nickten. »Theo Ryder.«
    »Aber er litt unter Sarkoidose«, wandte Andrew ein.
    Miss Palek nickte weise. »Ja, weil der Tod so plötzlich eintrat und die Ursache unbekannt war, haben die Mediziner vom Clementine Churchill Hospital – ein erstklassiges Haus – eine Untersuchung durchgeführt und Gewebeschäden entdeckt. Die Probe wurde zunächst als sarkoid diagnostiziert, doch um die Untersuchung zu vervollständigen, legten sie noch eine Kultur für das Mycobacterium tuberculosis an. Diese Tests waren positiv. Gestern kam das Ergebnis.«
    Rhys konnte der Erklärung dank seiner Vorbildung besser folgen als Andrew und unterbrach Miss Palek entrüstet: »Moment mal – wollen Sie damit sagen, dass Theo an Tuberkulose gestorben ist? Hier? «
    »Es ist denkbar, dass der Patient, da er aus Afrika kam, die Infektion mitgebracht hat«, sagte Miss Palek.
    »Es gibt nur sehr wenige Tuberkulosefälle in England.« Jute zog die Nase hoch.
    »Die meisten Erkrankten sind Aidspatienten oder stammen aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara«, bestätigte Miss Palek, aber ihre Augen blitzten; der Snobismus des Rektors war ihr nicht entgangen. Sie setzte ihren Bericht fort.
    Das Hospital informierte die HPA, als die Testergebnisse feststanden, und als Allererstes ließen sie die Datenbanken der Kliniken rund um die Schule überwachen. Als vor ein paar Stunden die Meldung kam, dass ein Schüler mit Tb-Symptomen wieder ins Clementine Churchill gebracht werden sollte, wurde er unverzüglich umgeleitet in ein noch besser ausgerüstetes Krankenhaus in London; und Miss Paleks Abteilung wurde informiert. Es war ihre Pflicht, die Umstände rund um den Fall zu erforschen, um festzustellen, welches Ausmaß die Epidemie bereits erreicht hatte.
    »Also … «, stammelte Andrew, der allmählich begriff, »hatte Theo Tb.«
    »Das ist richtig.«
    »Und Roddy hat sie auch.«
    Miss Palek zögerte. Offensichtlich war sie nicht befugt,

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