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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Was war
denn nun?“
    „Er ist aus dem Zug getürmt. In letzter
Sekunde.“
    „Sollen wir ihn irgendwo abholen?“ fragte
Schreyle.
    „Nicht nötig. Der schlägt sich selber
durch. Viel schlimmer ist: Er hat — weil’s eilig war — nur einen Teil seines
Gepäcks, nur eine Tasche mitgenommen. Die falsche.“
    „Die...? Heißt das...?“
    „Ja, die fünf Kilo Heroin sind noch im Zug.“
    Schreyle schluckte. „Liegen dort
einfach so rum?“
    „Im bulgarischen Kurswagen. Unter einem
Sitz, eingehüllt in Zeitungspapier.“
    „Ich glaub’s einfach nicht.“
    „Noch mal: Im bulgarischen Kurswagen.
Also tummelt euch! Ihr braucht das Päckchen nur abzuholen.“
    „Falls nicht wer anders...“
    „Unwahrscheinlich, Attila war allein im
Abteil.“
    Schreyle legte auf.
    Mehmet benötigte ergänzende Infos, dann
schüttelte er den Kopf.
    „So ein Aptal.“
    „Was?“
    „So ein Dummkopf.“
    Sie gingen zurück. Der Bahnsteig neben Gleis
11 war leer — und das Gleis auch.
    Schreyle verharrte wie angewurzelt.
    Mehmet starrte mit offenem Mund.
    „Der Zug…“, kam es unter seinem
Schnurrbart hervor, „ist weg.“
    „Klar“, nickte Schreyle und atmete auf.
„Der fährt ja nicht weiter. Sondern morgen zurück in euer aufblühendes
Touristen-Land. Aber erst mal wird er gesäubert — irgendwo auf einem
Abstellgleis — gesäubert und inspiziert. Zu viele deiner Landsleute krümeln
beim Essen und spucken auf den Boden. Deshalb, verstehst du?“
    „Spiel dich nicht auf, Schreyle. Du
spuckst auch auf den Boden.“
    Aber was nun?
    Sie starrten hinaus in die neblige
Dunkelheit. Abstellgleise — weit hinten. Viele Wagen waren dort und warteten
auf die Putzkolonnen.
    Welches war der Nachtexpreß — und wo
der verdammte bulgarische Kurswagen?

10. Sieht aus wie verdorbener Zucker
     
    Der Samstag war viel zu schnell
vergangen — wie das schulfreie Tage so an sich haben.
    Die TKKG-Bande hatte Gabys Hund Oskar
in den Zoo mitgenommen, wo er sich im Raubtierhaus ganz klein machte und flach,
und dann zu einem weiten Spaziergang durch den Ludwigs-Park.
    Jetzt war der Vierbeiner müde. Gaby
brachte ihn heim und ließ sich auch kurz blicken bei ihrer Mutter.
    Am späten Nachmittag postierte sich die
TKKG-Bande am Ende der Armie-Gasse.
    Hinter einem Mauervorsprung ließen sie
die Drahtesel. Eine Würstchenbude, die aber geschlossen hatte, bot Versteck für
die Kids. Von hier aus behielten sie Nr. 11 im Auge, das schmalbrüstige Haus,
in dem Bert und Irene Hansen wohnten.
    Zweimal hatte Tim dort angerufen,
nachmittags. Einmal ohne Erfolg. Beim zweiten Versuch hatte Irene sich
gemeldet, worauf Tim „Falsch verbunden“ murmelte — natürlich mit verstellter
Stimme.
    „Entweder“, sagte er, „der Mistkerl ist
wieder untergekrochen bei seiner Schwester. Oder er kommt, sobald es richtig
dunkel ist. Da die Polizei noch nicht da war, hat er keinen Grund mehr zum
Verstecken.“
    „Hoffentlich sieht er das auch so“,
meinte Karl.
    Klößchen knabberte Schokolade.
„Vielleicht sitzt er vor der Glotze und rührt sich nicht mehr vor die Tür, während
wir uns die Beine in den Bauch stehen.“
    Tim holte sein Taschentuch hervor. Es
war weiß. „Wofür würdest du das halten?“
    „Natürlich für eine Tischdecke“,
grinste Klößchen. „Oder ein Bettlaken.“
    „Irrtum! Das ist eine weiße Maus. Meine
Mausi. Nachher stehe ich bei Irene an der Tür und klingele. Die Frau öffnet.
Ich rede mit ihr. Das Treppenlicht ist schwach. Ich spiele mit meinem
zusammengeknüllten Taschentuch herum, lasse es im Ärmel verschwinden und
schreie: Verdammt, meine weiße Maus ist in Ihre Wohnung gelaufen. Und schon bin
ich drin und sause in alle Räume. Dann werde ich ja feststellen, ob Bruder Bert
anwesend ist.“
    „Ein Glück, daß wir Mausi haben.“ Gaby
lachte.
    Sie warteten.
    Tim hatte sich so postiert, daß er den
Hauseingang sah.
    Die Dämmerung war fortgeschritten, und
in diesem Moment trat Irene ins Freie.
    Sie war gekleidet wie gestern: Mantel
und Kopftuch. Außerdem trug sie eine Einkaufstasche, die prall gefüllt war.
    Vier Augenpaare sahen ihr nach, als sie
in Richtung Hauptbahnhof ging, gegen den Wind gestemmt, der heute milder war
als gestern.
    „Vielleicht trifft sie ihren Bruder“,
sagte Karl.
    „Und hat Sachen für ihn in der Tasche“,
nickte Klößchen. „Fressalien, frische Wäsche, ein Heizkissen und Bücher, damit
er sich nicht langweilt in seinem Versteck. Ob er lesen kann?“
    „Wir folgen ihr unauffällig.“

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