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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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aussah und...
    Sie hob den Kopf, während sie sich die
Hände wusch.
    War da ein Geräusch an der Tür?
    Nein.
    Irene löschte das Licht im Bad und
spähte in die matt erleuchtete Diele.
    Der Briefkastenschlitz in der Tür,
abgedeckt außen durch eine metallische Klappe! Hatte der sich bewegt?
    Nein.
    Nicht nervös werden, Irene, dachte sie
und nahm die Einkaufstasche, in der unter einem Schal das Paket lag.
    Irene trug es ins Wohnzimmer.
     
    *
     
    Schreyle fluchte. Er hatte keine
Zigaretten mehr, und das war für ihn sowas wie eine mittlere Katastrophe.
Außerdem war es feucht und dunkel und unbequem hier draußen, wo Wagen und
Waggons auf Abstellgleisen standen.
    Putzkolonnen waren angerückt. Licht in
Gängen und Abteilen. Da wurden Abfälle eingesammelt, da wurde geputzt.
    Schreyle und Mehmet stolperten umher.
Sie suchten den bulgarischen Kurswagen.
    Und dann fanden sie ihn. Das
Richtungsschild war noch dran. Der Wagen kam aus Varna am Schwarzen Meer.
    Die beiden Ganoven blickten durch die
Fenster hinein.
    Im letzten Abteil putzte eine dicke,
ältere Frau. Sie hatte einen Walkman auf den Ohren und die Batterie in der
Kittelschürzen-Tasche.
    „Die dort“, sagte Mehmet und meinte Makbule
in einem der mittleren Abteile, „ist Türkin. Das sehe ich.“
    „Das sieht jeder.“
    Zum xten Mal suchte Schreyle seine
Taschen ab. Aber da war nicht eine einzige Nikotinnudel.
    „Laß mich mit ihr reden“, sagte Mehmet.
„Wenn sie oder die andere was gefunden hat, kriege ich’s. Und wenn’s noch rumliegt
— auch. Ich sage, ich bin Polizist.“
    Mehmet ging zur Wagentür. Schreyle
wartete und beobachtete dann, wie sein Komplize mit der jungen Türkin redete.
Flüchtig hielt er ihr seinen Ausweis hin — offenbar genügte das, um sich als
Kriminaler auszugeben.
    Die Türkin redete bereitwillig, nickte,
deutete mit den Fingern, nickte wieder, zeigte zwischen den Händen ein Format
an — wohl die Größe eines Pakets.
    Mehmet gab sich wohlwollend. Zum Schluß
tätschelte er ihr die Wange, kam dann zurück.
    „Eine Putze hat sich das Paket unter
den Nagel gerissen, behauptet, es wäre Zucker — verdorbener Zucker. Makbule hat
das nicht geglaubt, aber auch nicht protestiert und mir jetzt die Adresse
genannt: Armie-Gasse 11 — eine gewisse Irene Hansen.“
     
    *
     
    Wieder stand die TKKG-Bande hinter der
Würstchenbude, ab wartend, denn Irene war schon eine Weile im Haus.
    Leer die Armie-Gasse. Lust zum
Promenieren hatte hier niemand. Und welcher normale Feierabend-Mensch jagt sich
selbst bei diesem Dunst-Wetter vor die Tür?
    Würde Bert auftauchen?
    Tim überlegte. Um Gaby zu wärmen, hatte
er den Arm um ihre Schultern gelegt.
    Karl putzte seine Nickelbrille.
Klößchen leckte die letzten Schoko-Krümel aus dem Silberpapier.
    „Geduld ist nicht unsere Tugend“, sagte
Tim. „Ich ziehe jetzt meinen Mausi-Trick ab. Okay?“
    Niemand hatte Ein wände.
    Tim holte sein bügelfrisches
Taschentuch hervor und begann, Kopf und Leib einer kleinen weißen Maus zu
formen und zu knoten.
    Kaum fertig, war sie sofort der Kritik
ausgesetzt.
    „Sie sieht überfressen aus“, meinte Gaby.
    „Und so ein buschiger Schwanz“, feixte
Klößchen. „Wie bei ‘nem Fuchs.“
    „Ich verlasse mich auf die
Treppenhaus-Düsternis“, erwiderte Tim. „Das hilft mir beim Täuschen.“
    Er blickte zu Nr. 11 — und zog den Kopf
etwas zurück.
    Zwei Männer standen dort vor dem
Eingang, waren offenbar sehr rasch aus Richtung Hauptbahnhof gekommen. Sie
waren plötzlich da.
    „Da ist wer“, sagte Tim. „Ich warte
noch.“
    Die beiden Typen verharrten. Der eine
trug einen kamelgelben Mantel, der andere eine wattierte Kälte-Umhüllung. Kamelmantel
blickte hierhin und dorthin, während der andere offenbar nicht den richtigen
Hausschlüssel fand. Die Fummelei am Schloß dauerte lange.
    Dann verschwanden sie im Haus.
    Tim war inzwischen damit beschäftigt,
seinem Taschentuch mäuse-artiges Benehmen beizubringen.
    Mausi hüpfte ihm aus der Hand auf den
Ärmel — und zack ! unter die Jacke, geschickt wie ein
Taschenspieler.
    „Toll!“ lachte Gaby. „Sieht fast echt
aus. Du bist meines Wissens der einzige Typ, der eine weiße Maus mit sich
rumschleppt.“

    „Nur weil sie zahm ist“, erwiderte Tim.
„Und an mich gewöhnt.“
    „Frißt sie Käse?“ fragte Klößchen.
„Oder lieber Rosinen?“
     
    *
     
    Irenes Finger strichen über die
Plastikhülle, über das Heroin-Paket. Es lag auf dem Tisch, genau unter der
Zuglampe. In ihrem

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