Weisses Gold
Mittlerweile halte er ihren Plan nur noch für ein »dummes Hirngespinst, das unmöglich in die Tat umgesetzt werden könne«. Und er erklärte ihnen, dass er die Absicht habe, den Gouverneur von Salé zu informieren, sollten sie ihren Fluchtplan nicht aufgeben.
Pellow war schockiert, denn das wäre sein Todesurteil gewesen. Er fragte Johnston, ob er tatsächlich vorhabe, sie zu verraten, und der Renegatantwortete mit einiger Schadenfreude, dass er es vollkommen ernst meine. Als Pellow das hörte, konnte er seine Wut nicht mehr zügeln: »Ich konnte es nicht länger ertragen, zog mein Schwert und versetzte ihm einen Hieb quer über das Gesicht.« Zu seinem Unglück hatte er Johnston nicht getötet, denn nachdem er ihm diese tiefe Wunde zugefügt hatte, »ging er direkt zum Gouverneur«. Johnston war entschlossen, sich zu rächen und alle Einzelheiten des Fluchtplans zu verraten.
Der Gouverneur von Salé konnte kaum glauben, was diese entlaufenen Sklaven direkt vor seiner Nase gewagt hatten. Er befahl, Pellow unverzüglich vorzuführen. Pellow schreibt: »Er sah mich sehr wild an und verdrehte die Augen und sagte mir, er habe nicht gedacht, dass ich ein solcher Schurke sei.« Der Gouverneur erklärte, Johnston verdiene höchstes Lob dafür, dass er seine ehemaligen Kameraden angezeigt hatte. Pellow hingegen drohte er, sofern er sein Verhalten nicht rechtfertigen könne – was der Gouverneur für sehr unwahrscheinlich hielt –, werde er »die verdiente Strafe für ein so schändliches Verbrechen erhalten«.
Pellow hatte sich bereits eine Strategie zurechtgelegt. Er bezichtigte Johnston der Lüge und behauptete, diesen Vorwurf beweisen zu können – was er jedoch nur in Gegenwart von Johnston tun würde. Der Gouverneur, der Gefallen an der Idee eines Streitgesprächs fand, in dem zwei Engländer um ihr Leben kämpfen würden, ließ den zweiten Renegaten herbeiholen.
Zunächst schilderte Johnston erneut die Einzelheiten von Pellows Fluchtplan. Doch als Pellow an der Reihe war, bekam der Gouverneur eine ganz andere Geschichte zu hören. Pellow behauptete, Johnston selbst habe fliehen wollen und ihn »seit Langem immer wieder angestachelt, [s]ich ihm anzuschließen«. Und Pellow goss weiteres Öl ins Feuer, indem er dem Gouverneur erzählte, Johnston habe ihn derart hartnäckig belästigt, dass er schließlich keine andere Wahl gehabt habe, als ihm einen Schwerthieb zu versetzen. »Für seine Aufdringlichkeit fügte ich ihm den Schnitt zu.«
Der Gouverneur hörte sich Pellows Geschichte ungläubig an, doch seine Zweifel schwanden, als Pellow erklärte, er habe einen Zeugen, der seine Version bestätigen könne. Nun wurde William Hussey vorgeführt, damit der Gouverneur auch ihn verhören konnte.
Hussey begriff sofort, dass sein Leben ebenfalls auf dem Spiel stand. Er behauptete im Brustton der Überzeugung, er hätte Johnston selbstattackiert, hätte Pellow es nicht getan. Als der Gouverneur nach dem Grund dafür fragte, versetzte er Johnston den Gnadenstoß und sagte: »Seit langer Zeit ließ mir Johnston keine Ruhe mit seinen ständigen Aufforderungen, gemeinsam mit ihm zu fliehen.« Hussey fügte hinzu, Johnston habe immer wieder behauptet, Pellow denke ebenfalls an Flucht – was ihm jedoch wenig glaubhaft erschienen sei. »Ich muss gestehen, Herr, dass mich das sehr überraschte«, sagte er, »denn ich hatte stets den Eindruck, dass Pellow mit seinem Leben durchaus zufrieden war.«
Nachdem sich der Gouverneur Husseys Geschichte aufmerksam angehört hatte, dachte er lange nach. Schließlich wandte er sich mit strengem Blick an Johnston und sagte ihm, »dass er nicht verstehen könne, wie er eine derart verdammenswerte Lüge habe erfinden können«. Hätte Hussey Pellows Verteidigung nicht bestätigen können, so hätte der Gouverneur nach seinen eigenen Worten wahrscheinlich einem Unschuldigen das Leben genommen. Er befahl, Johnston in Ketten zu legen und ließ Pellow und Hussey gehen.
Die beiden Männer waren überrascht, dass ihre eilig konstruierte Ausrede den Gouverneur von ihrer Unschuld überzeugt hatte. Insbesondere Pellow hatte ein weiteres Mal bewiesen, dass er ein wahrer Überlebenskünstler war: Sein aufgeweckter Verstand und sein forsches Mundwerk hatten ihn vor großem Unheil bewahrt. Er war immer noch wütend auf Johnston, weil dieser eine große Chance vereitelt hatte, aus Marokko zu entfliehen. Zugleich fühlte er sich jedoch schuldig, weil Johnston mit Sicherheit bestraft werden würde. Er
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