Weisses Gold
Hinrichtung entgangen. Ein weniger willensstarker Mann hätte nach einer solchen Erfahrung womöglich jede Hoffnung aufgegeben, jemals aus Marokko zu entkommen, aber Pellow schwor sich, eher bei dem Versuch zu sterben, als sein restliches Leben in Knechtschaft zu verbringen: »Obwohl ich dem Tod durch das blutige Messer nur um Haaresbreite entkommen war…, war ich fest entschlossen, es erneut zu versuchen.«
Doch es sollten einige Jahre vergehen, bevor er einen zweiten Fluchtversuch unternehmen konnte. Er nennt kein genaues Datum, aber Pellows Hinweis, dass er in einer Zeit innerer Unruhen aufbrach, deutet darauf hin, dass er erst im Jahr 1728 oder 1729 einen zweiten Fluchtversuch wagte. Fest steht, dass er sich diesmal mit einem anderen englischen Renegaten zusammentat. Er kannte William Hussey aus Devonshire als »sehr vertrauenswürdig und aufrichtig«. Dennoch ging er sehr vorsichtig vor, als er Hussey gegenüber seine Fluchtpläne zum ersten Mal erwähnte. »Nun, Will, sagte ich, ich möchte, dass du mir ehrlich auf eine Frage antwortest, die ich dir stellen werde.« Pellow klärte Hussey über sein Vorhaben auf und fragte ihn, ob er sich ihm anschließen wolle. Hussey ergriff die Gelegenheit beim Schopf und vertraute Pellow an, dass »er sich seit Langem danach sehne und zu dem Wagnis bereit sei, und wenn es ihn den letzten Blutstropfen kosten sollte«.
Die beiden Männer machten sich auf den Weg nach Salé und begannen, an der Küste nach einem geeigneten Boot für eine Flucht über das Meer zu suchen. Pellow wollte kein zweites Mal versuchen, in einer der portugiesischen Garnisonen Zuflucht zu suchen, und sah auch keinen Sinn darin, im Hafen auf ein englisches Handelsschiff zu warten. Deshalb wollte er ein Boot stehlen und versuchen, damit die britische Garnison in Gibraltar zu erreichen. »Und nun suchen meine Augen eifrig nachSchiffen im Hafen, und meine Gedanken richten sich … auf jegliche andere Hilfe, die ich mir gefahrlos sichern kann.«
Gleich am ersten Morgen nach ihrer Ankunft in Salé eröffnete sich Pellow und Hussey eine unerwartete Fluchtmöglichkeit. Ihnen fiel eine kleine Schaluppe auf, die im Hafen vor Anker lag und ideal für ihr Vorhaben geeignet schien. Pellow sprach zwei Mitglieder der marokkanischen Besatzung an und schlug ihnen vor, sie mit Wein zu versorgen. Die Seeleute waren sehr erfreut und luden ihn sofort ein, mit ihnen an Bord zu kommen. Als Pellow zu der Schaluppe hinüber gerudert wurde, sagte er den Männern, er sei »ein Soldat des Königs« und bekleide »ein durchaus hohes Amt«. Während er mit ihnen plauderte, prüfte er »die Abmessungen der Schaluppe, die Segel und so weiter«. Zu seiner Freude stellte er fest, dass dies genau das richtige Schiff für seine Flucht war: »Nun ist mein Herz dermaßen entflammt, dass jeder Blutstropfen in meinen Venen darauf konzentriert ist, wie ich das Vorhaben ausführen kann.«
Zurück an Land, teilte Pellow seinem Fluchtgefährten mit, dass sie in genau dieser Schaluppe entfliehen könnten. »Ich habe keinen Zweifel daran«, sagte er zu Hussey, »dass dieses Schiff unsere Erwartungen auch ohne Blutvergießen erfüllen wird, wenn wir umsichtig vorgehen.« Es gab nur ein Problem: Um die Schaluppe segeln zu können, waren mindestens drei Besatzungsmitglieder erforderlich. Pellow fragte Hussey, ob dieser einen dritten Mann kenne, »der vertrauenswürdig sei, denn zwei seien nicht genug, um das Schiff zu führen«.
Hussey kannte tatsächlich jemanden. Er hatte eine Zeitlang an der Seite eines englischen Renegaten namens William Johnston gearbeitet, der aus Kent stammte und gegenwärtig in Salé stationiert war. Johnston war im selben Sommer wie Pellow während einer Seereise von Lissabon nach Amsterdam verschleppt worden und war als einziges Mitglied seiner Crew freiwillig zum Islam übergetreten. »Ich kann für seine Zuverlässigkeit nicht die Hand ins Feuer legen«, warnte Hussey, »obwohl ich nie etwas anderes gehört habe, als dass er ein anständiger Mann ist.« Also traten die beiden vorsichtig an Johnston heran – und stellten erleichtert fest, dass er sich »sehr wünschte, die Flucht zu ergreifen«. Die drei Männer machten sich unverzüglich daran, ihr Vorhaben zu planen.
Sie wollten den beiden marokkanischen Seeleuten, die das Schiff bewachten, ein Fässchen Branntwein bringen. Sobald die Männer betrunken und wehrlos waren, wollten Pellow und seine Gefährten dieSchaluppe in ihre Gewalt bringen und in aller Stille aus
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