Weisses Gold
in meine Unterkunft in der Pudding Lane zurück.«
Pellow wurde von einem Boten geweckt, der ihm mitteilte, dass seine außergewöhnliche Geschichte in einer der Zeitungen der Hauptstadt veröffentlicht worden war. Pellow war überrascht und bat, den Artikel sehen zu dürfen. Darin wurde über seine gewagte Flucht aus Marokko berichtet, wo er »25 Jahre lang als Sklave gefangen war, nachdem ihn die Mauren im zehnten Lebensjahr verschleppt hatten«. Kaum ein Detail in dem Artikel stimmte, und Pellow stellt ironisch fest, in dem Bericht habe es von »Wahrheiten des Nachrichtenschreibers« gewimmelt. Kurze Zeit später traf er den Verfasser des Artikels und las ihm die Leviten: Pellow hatte dem Autor die Informationen »nicht bestätigt und konnte es auch nicht ohne große Falschheit tun«.
Die Heimkehr von Sklaven aus Nordafrika erregte stets großes Aufsehen, und nach der Veröffentlichung dieses Artikels wurde zwangsläufig der Ruf nach einer öffentlichen Präsentation Pellows laut. Aber zu seinem Glück blieb ihm die zweifelhafte Ehre einer pompösen Feier erspart. Als er erfuhr, dass die
Truro
mit dem nächsten Gezeitenwechsel auslaufen würde, packte er seine Habseligkeiten und eilte an Bord. Er war dem öffentlichen Rummel entkommen und freute sich auf die letzte Etappe auf seinem langen Weg nach Hause. »Mit der ersten Ebbe gelangten wir nach Gravesend, mit der nächsten erreichten wir die Themsemündung, und mit der dritten segelten wir an den Flats vorüber und umrundeten die Downs.« Als das Schiff in den Ärmelkanal fuhr, wurde es von einem steifen Ostwind erfasst und rasch nach Plymouth getrieben. Am 15. Oktober 1738 um vier Uhr nachmittags legte die
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amPier von Falmouth an, und da Thomas Pellows Geburtsort Penryn nicht mehr als zwei Meilen entfernt war, traf er am Abend dort ein.
Als er sich dem Haus seiner Familie näherte, bot sich ihm ein erstaunlicher Anblick. In der Abenddämmerung kamen ihm hunderte Menschen entgegen. Sämtliche Einwohner von Penryn hatten sich auf den Weg gemacht, um den verloren geglaubten Sohn zu begrüßen. »Es drängten sich so viele Menschen um mich, dass ich mir nur mit großer Mühe einen Weg durch die Menge bahnen konnte.« Er musste an seine Ankunft in der marokkanischen Hauptstadt im Sommer 1716 denken, »obwohl … diese Begrüßung von ganz anderer und sehr viel angenehmerer Art war als jene in Meknes«. Die Bewohner seines Heimatdorfes waren außer sich vor Freude und feierten seine Heimkehr ausgelassen. »Anstatt mich zu schlagen und mich an den Haaren zu ziehen, begrüßten sie mich und hießen mich auf das Freundlichste zu Hause willkommen.« Viele Dorfbewohner wollten unbedingt wissen, ob er sie erkannte, »was [er] tatsächlich nicht tat, denn [er] war noch so jung gewesen, als [er] sie verlassen hatte«.
Und dann stand Thomas Pellow endlich seinen Eltern gegenüber, die mittlerweile Ende fünfzig waren. Sie erkannten ihren Sohn zunächst nicht. Die Jahre in der Berberei hatten ihn vollkommen verändert, und er hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Jungen, den sie im Jahr 1715 zum letzten Mal gesehen hatten. Sie konnten kaum glauben, dass dies ihr eigenes Fleisch und Blut war. Pellow war nicht weniger verwirrt, als er seine Eltern zu Gesicht bekam. Sie wirkten wie völlig Fremde auf ihn: »Und wären wir einander an einem anderen Ort begegnet, ohne vorher aufgeklärt worden zu sein … so wären wir zweifellos aneinander vorbeigegangen, wenn mein großer Bart sie nicht dazu veranlasst hätte, mich genauer anzusehen.«
Die drei fielen einander schluchzend in die Arme. Dann bahnten sie sich einen Weg zum Haus der Familie, und der Sohn begann, von seiner Odyssee zu erzählen. Er schilderte seine Gefangennahme, sein Leben als Sklave, die Jahre im Dienst des Sultans. Er berichtete über Schläge und Sklaventreiber, über blutige Belagerungen und furchtbare Verletzungen. Und er erzählte von den ungezählten Menschen, die in der Sklaverei ihr Leben verloren hatten.
Seine Geschichte sollte in Penryn wieder und wieder erzählt werden. Schließlich kam sie einem Schreiberling aus der Gegend zu Ohren, dersofort erkannte, dass dieser bemerkenswerte Erfahrungsbericht großes Potenzial besaß. Er half Pellow dabei, seine Geschichte zu Papier zu bringen, und nur zwei Jahre nach seiner Heimkehr erschien das Buch
The History of the Long Captivity and Adventures of Thomas Pellow
. Die Leser dieses Erfahrungsberichts erhielten einen faszinierenden Einblick in das
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