Weisses Gold
Smith, doch es sollte sich bald herausstellen, dass seine Forderung nach einem militärischen Vorgehen gegen die Barbareskenstaaten bei den südeuropäischen Regierungen, denen die Korsaren weiterhin schwere Verluste zufügten, einen tiefen Eindruck hinterlassen hatte. Sie griffen seinen Appell auf und wollten es den Vereinigten Staaten nachmachen, die aggressiv gegen die Barbareskenstaaten vorgingen. Vor wenigen Wochen hatten die USA eine Flotte nach Algier geschickt und die Stadt gezwungen, sämtliche amerikanischen Sklaven freizulassen. Mit diesem Vorbild vor Augen begannen die südeuropäischen Herrscher, den britischen Außenminister Lord Castlereagh für seine mangelnde Entschlossenheit im Kampf gegen die Barbareskenstaaten zu kritisieren. Sie beschuldigten ihn, die Raubzüge der Korsaren bewusst zu ignorieren, da Großbritannien davon profitiere, dass konkurrierende Handelsnationen Schaden erlitten.
Diesen Vorwurf konnte Lord Castlereagh nicht auf sich sitzen lassen. Er hatte sich stets energisch für die Abschaffung des Handels mit schwarzafrikanischen Sklaven eingesetzt, und nun schwor er, auch der Versklavung von Europäern ein Ende zu machen. Auf sein Betreiben entsandte die britische Regierung im Sommer 1816 eine große Flotte ins Mittelmeer. Die Herrscher der Barbareskenstaaten sollten dazu gezwungen werden, die Verschleppung und Versklavung von Europäern ein für allemal einzustellen. Man war entschlossen, keine Verhandlungen zu führen,keine Lösegelder zu zahlen und keine Zugeständnisse zu machen. »Wenn auf die Gewalt zurückgegriffen werden muss«, hieß es in der pathetischen Absichtserklärung der britischen Regierung, »so haben wir den Trost, dass wir für die heilige Sache der Menschlichkeit kämpfen.«
Es stand von vornherein außer Zweifel, wer die gewaltige Flotte befehligen würde. Der Mann, der für diese Mission auserkoren wurde, trug im öffentlichen Leben die Anrede Lord Exmouth und war der Vizeadmiral der Mittelmeerflotte. Doch seine Freunde und seine Familie in Cornwall kannte ihn als Sir Edward Pellew. Er war ein entfernter Abkömmling derselben Familie wie Thomas Pellow. Die Schreibweise des Namens hatte sich im Lauf der Jahrzehnte geändert, und Sir Edward war zu Reichtum und Einfluss gekommen. Er lebte in einer ganz anderen Welt als die einfachen Pellows aus Penryn. Aber er fühlte sich seiner Heimat Cornwall weiterhin verbunden und hatte sich mit seiner Familie weniger als zwei Meilen von Penryn entfernt in Falmouth niedergelassen. Mit Sicherheit kannte er Thomas Pellows Geschichte, und die europäischen Sklaven in der Berberei lagen ihm sehr am Herzen. Als er von Sir Sidney Smith eingeladen wurde, sich der Society of Knights Liberators anzuschließen, zögerte Pellew keinen Augenblick. »Ich bin Ihnen sehr verbunden, mein lieber Sir Sidney, dass Sie mich unter Ihren Rittern dulden werden«, schrieb er. »Ich werde Ihre Sache nach besten Kräften unterstützen.«
Sir Edward Pellew war der richtige Mann, um es mit den Sklavenhändlern in den Barbareskenstaaten aufzunehmen. Er war forsch und entschlossen und schreckte nicht vor einem massiven Einsatz von Gewalt zurück, um sein Ziel zu erreichen. Pellew hatte Algier als erstes Ziel ausgewählt, weil es der europäischen Schifffahrt besonders große Probleme bereitete. Ein Sieg über die Korsaren aus dieser Stadt würde ein unmissverständliches Signal an Tunis, Tripolis und Marokko sein. Pellews Ziel war es, allen Korsaren und Sklavenhändlern in Nordafrika endgültig das Handwerk zu legen.
Ende August des Jahres 1816 erreichte seine Flotte ihr Ziel. Er ließ sein Flaggschiff, die
Queen Charlotte
, in der Bucht von Algier Anker werfen und schickte eine kategorische Botschaft an den Dei Omar Baschaw: Der Dei hatte eine Stunde Zeit, bedingungslos zu kapitulieren, seine Sklaven freizulassen und den Menschenhandel einzustellen. Als die Antwort des Dei ausblieb, erklärte Pellew ihm den Krieg.
Seine Flotte bot ein beeindruckendes Bild, als die Schiffe in Gefechtspositionen manövriert wurden. Er befehligte 18 englische Kriegsschiffe, und einige waren mit über 100 großen Kanonen bestückt. Dazu kamen noch sechs niederländische Schiffe. Doch Pellews Zuversicht bezüglich des Ausgangs der bevorstehenden Schlacht wurde dadurch geschmälert, dass Omar Baschaw als listiger Militärtaktiker galt. Der Dei hatte die Befestigungen der Stadt in Erwartung eines Angriffs verstärken lassen und tausende erfahrene Kämpfer
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