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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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jene 70 ehemaligen Angehörigen der Garnison von Tanger. Weitere 60 Engländer gehörten seinem Hofstaat an, womit sich die Gesamtzahl der Gefangenen aus diesem Land angeblich auf 190 belief. Doch Leslie wusste, dass die tatsächliche Zahl sehr viel höher war. In den vergangenen Jahren hatten die Korsaren zahlreiche englische Schiffe gekapert, deren Besatzungen spurlos verschwunden waren.
    Leslies Hoffnung schwand, aber er versuchte, zumindest die 70 Sklaven freizukaufen, die aus Tanger verschleppt worden waren. Die Summe, die er Mulai Ismail anbot, entlockte diesem jedoch nur ein geringschätziges Lachen. Er verlangte für jeden Sklaven 200 Acht-Real-Stücke und fügte hinzu, dass die 60 Engländer, die sich im Besitz seiner Höflinge befanden, noch mehr kosten würden. Der Gesamtbetrag überstieg die Summe, die Leslie zur Verfügung stand, bei weitem, und nach Monaten fruchtloser Verhandlungen musste er den Hof des Sultans mit leeren Händen verlassen. Als das Geld schließlich beschafft und an Mulai Ismail geschickt worden war, erklärte dieser, er habe nicht von 200 Acht-Real-Münzen, sondern von 200 Dukaten gesprochen, und das war ein Vielfaches des ursprünglich vereinbarten Lösegeldes.
    Leslie war vollkommen demoralisiert. Er hatte das Gefühl, dass der marokkanische Herrscher ihm gegenüber stets im Vorteil gewesen war, und er war untröstlich darüber, dass es ihm nicht gelungen war, auch nur einen einzigen Sklaven zu befreien. »Ich habe in dieser Angelegenheit sehr wenig Glück gehabt«, schrieb er, »…ich wünsche nur, dass man mich nicht beschuldigen wird, bevor ich zu Wort gekommen bin.«
    Doch auch Mulai Ismail war unzufrieden mit dem Ergebnis der Verhandlungen. Er hatte erwartet, von dem englischen Gesandten reich beschenkt zu werden, musste zu seinem Missfallen jedoch feststellen, dassviele der Präsente minderwertig waren. Die kostbaren Kleider und Seidenstoffe waren vom Regen verdorben worden, und die englischen Musketen explodierten, wenn man sie abfeuerte. Als der Sultan die »sechs Galway-Pferde« zu Gesicht bekam, die eigens wegen ihres »langen Schweifs« ausgewählt worden waren, stellte er fest, dass sie nur für den Abdecker taugten.
    Sir James Leslie versuchte im Lauf des Jahres 1681 weiter, gegen die Verdunkelungstaktik des Sultans anzukämpfen, und verlangte wiederholt die Heimkehr der englischen Sklaven. Der Sultan verweigerte ihre Freilassung, doch er willigte zumindest ein, einen Botschafter nach London zu entsenden. Dieser Gesandte erhielt umfassende Vollmachten, um die Bedingungen für eine Freilassung aller englischen Gefangenen auszuhandeln.
    Der Mann, den Mulai Ismail für diese Mission auswählte, war Kaid Muhammad ben Haddu Ottur, ein Edelmann, dessen Mutter Gerüchten zufolge eine englische Sklavin war. Oberst Kirke war dem Kaid mehrfach begegnet und hielt ihn für einen Menschen »von gutem Gemüt und verständigem Wesen«. Doch mit dieser Einschätzung war Kirke allein. Der französische Gesandte Pidou de St. Olon warnte die Engländer und riet ihnen, mit Kaid sehr vorsichtig zu sein: »Sein Verhalten und seine Äußerungen verraten beträchtliche Arglist. Er ist ein Meister der Täuschung und in höchstem Maß durchtrieben.« Das Gefolge des Botschafters galt als noch weniger vertrauenswürdig. Einer seiner Berater, Hamet Lucas, war ein englischer Renegat, der einige Jahre früher aus der Garnison von Tanger desertiert war. Sogar Kirke bezeichnete diesen Mann als »raffi nierten und dreisten Schurken« und riet zu strenger Geheimhaltung, wenn Lucas in Hörweite war. »Unsere Angelegenheiten in England … müssen vor diesen Leuten ebenso sorgsam verborgen werden, wie sie versuchen, uns über ihre Absichten im Dunkeln zu lassen.«
    Das Schiff der marokkanischen Gesandtschaft stach im Dezember 1681 in Tanger in See und lief nach dreiwöchiger Überfahrt im Hafen von London ein. Die Ankunft des Botschafters und seines Gefolges sorgte in England für großes Aufsehen, vor allem in den Gemeinden an der Südwestküste, die so viele Männer an die Korsaren von Salé verloren hatten. Der König und seine Minister freuten sich auf die Gelegenheit, von Angesicht zu Angesicht mit den Vertretern des Sultans verhandeln zu können, und hofften auf eine Einigung, die nicht nur zur Freilassungder versklavten englischen Untertanen, sondern auch zu einem Ende der seit Jahren anhaltenden Feindseligkeiten zwischen den beiden Ländern führen würde.
    Am 11. Januar 1682 hatte der Gesandte

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