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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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über die Brustwehr zu recken. Seit fast fünf Jahren griffen die marokkanischen Truppen die Zitadelle von Tanger immer wieder an, und die Verteidiger hatten hohe Verluste hinnehmen müssen. Im Jahr 1678 war es den Truppen Kaid Omars gelungen, zwei Kastelle außerhalb der Festung zu zerstören und acht englische Soldaten gefangen zu nehmen, die umgehend als Sklaven nach Meknes geschickt worden waren. Durch diesen Erfolg ermutigt, befahl Kaid Omar eine Reihe spektakulärer Angriffe, bei denen weitere 57 Engländer in Gefangenschaft gerieten. Auch diese wurden in Ketten gelegt und als Geschenke an den hocherfreuten Sultan geschickt.
    Kaid Omars Soldaten kämpften mit solcher Entschlossenheit, dass die Engländer fürchten mussten, die Garnison könnte tatsächlich überrannt und ihre gesamte Besatzung in die Sklaverei geführt werden. Dochdie Verteidiger wurden von zufällig eintreffenden Entsatztruppen gerettet. Die Angreifer wurden zurückgeschlagen, und die englischen und schottischen Musketiere feierten einen glorreichen Sieg. »Der Angriff erwies sich als sehr heißer und blutiger Waffengang«, schrieb einer der englischen Soldaten. »An mehreren Stellen kam es zu Stechereien mit der Pike und einem heftigen Austausch von Hieben.« Nach erbitterten Kämpfen musste Kaid Omar den Angriff abbrechen.
    Die Besatzung der Garnison war begeistert über ihren Sieg, aber in den Jubel mischte sich die Trauer darüber, dass sich viele Landsleute – darunter fast 70 Waffenbrüder – nun als Sklaven in der Hand des Sultans befanden. König Karl II., der diese Gefangenen so rasch wie möglich freikaufen wollte, entschloss sich, eine Botschaft an den Sultan zu schicken. Der König verlangte die unverzügliche Freilassung der Sklaven und bot an, über einen dauerhaften Frieden zu verhandeln.
    Es wurde allgemein angenommen, dass die Gefangenen innerhalb weniger Monate wieder daheim sein würden. Die Minister des Königs, denen der jüngste Sieg über die marokkanischen Streitkräfte zu Kopf gestiegen war, sprachen über Mulai Ismail, als hätten sie es mit einem Einfaltspinsel zu tun. Oberst Edward Sackville, der Erfahrungen in Tanger gesammelt hatte, war empört über ihre geringschätzigen Kommentare und warnte sie davor, die Marokkaner zu unterschätzen: »Sie debattieren alle Fragen ruhig und mit Bedacht, und daher sehe ich nicht, wo der Grund für diese Verachtung liegt.«
    An der Spitze der Gesandtschaft, die König Karl nach Marokko schickte, stand der zuverlässige Sir James Leslie, der genau der richtige Mann für diese Mission war. Er traf im Dezember 1680 in Tanger ein und wollte sich sogleich an den Hof des Sultans begeben. Doch das Schiff, das die Geschenke für Mulai Ismail beförderte, war auf See zurückgefallen. Da ein ausländischer Gesandter unmöglich mit leeren Händen in Meknes erscheinen konnte, beschloss Leslie, einen Boten zum Sultan zu schicken, um diesem die Verzögerung zu erklären.
    Doch der Mann, der sich auf den Weg nach Meknes machte, war völlig ungeeignet für eine so heikle Mission. Der charakterschwache Oberst Percy Kirke war ein Trinker und Prahlhans, dessen erschreckender Mangel an Urteilskraft die Engländer teuer zu stehen kommen sollte. Samuel Pepys, der ihm in Tanger begegnete, war entsetzt darüber, dass man einem solchen Mann einen verantwortungsvollen Posten anvertraut hatte.»Das tyrannische Wesen und die Lasterhaftigkeit von Kirke … sind erstaunlich«, schrieb er. Pepys fand es bedauerlich, »einen derartigen Schurken in dieser Position zu sehen«.
    Oberst Kirke brach im Januar 1681 nach Meknes auf. Seine Erfahrungen mit den Marokkanern waren bis dahin auf Begegnungen auf dem Schlachtfeld beschränkt gewesen, wo sie ihn mit ihrem Mut und ihrer Brutalität beeindruckt hatten. Als er nun in Begleitung eines in Marokko aufgewachsenen Leibwächters durch das Land reiste, entdeckte er zu seiner Verblüffung, dass die furchtbaren Krieger des Sultans abseits des Schlachtfeldes sehr einnehmende Menschen sein konnten. »Ich bin unter den zivilisiertesten Menschen der Welt«, schrieb er, »und sollte ich je einen Sohn haben, so werde ich ihn zur Erziehung lieber hierher schicken als an den französischen Hof.« Seine Gastgeber luden ihn zur Jagd auf Wildschweine und Antilopen ein und brieten ihm jeden Abend große Mengen Fleisch. »Wir haben wunderbarerweise mehr Fleisch, als wir verzehren können«, schrieb Kirke.
    Im Februar traf er in Meknes ein und wurde sofort zu einer persönlichen

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