Weisses Gold
Gelegenheit erkundigte sich der Sultan bei einem Sklaven nach der Qualität des Mörtels. Als der vor Angst zitternde Mann zugab, dass das Gemisch tatsächlich minderwertig sei, »gebot ihm [Mu lai Ismail], seinen Kopf hinzuhalten, damit er danach schlagen konnte; und nachdem er ihn niedergestreckt hatte, prügelte er alle anderen mit eigener Hand und richtete ihre Köpfe so übel zu, dass der ganze Ort voller Blut war wie ein Schlachthaus«.
Besonders schlecht wurden die spanischen Sklaven behandelt. Als einer von ihnen an Mulai Ismail vorüberging, ohne seinen Hut abzunehmen, schleuderte der Sultan seinen Speer nach ihm. Das Eisen drang tief in das Fleisch des Mannes ein und verursachte ihm große Schmerzen, als er die gezackte Speerspitze herauszog. Der Sklave gab die Waffe dem Sultan zurück, worauf dieser ihm den Speer mehrfach in den Bauch stieß. Die Strafe, vor der sich die Sklaven am meisten fürchteten, wurde als »Hochwerfen« bezeichnet. »Wer auf Befehl des Sultans derart bestraft wird«, schreibt Pellow, »wird von drei oder vier starken Negern an den Schenkeln gepackt und mit aller Kraft in die Luft geworfen, wobei sie ihn gleichzeitig drehen, so dass er auf dem Kopf aufkommt.« Die schwarzen Wachen, die diese Strafe vollzogen, waren »durch die viele Übung so geschickt darin, dass sie ihm beim ersten Wurf nach Belieben den Hals brechen, die Schulter ausrenken oder geringeren Schaden zufügen können.« Die Wachen wiederholten die Würfe so oft, bis der Sultan ihnen Einhalt gebot.
Die fortgesetzten Grausamkeiten dezimierten die Sklaven in Meknes erheblich, aber sie wussten, dass es keinen Sinn hatte, Widerstand zu leisten. Ein Mordanschlag der spanischen Gefangenen auf den Sultan hätte beinahe mit einer Katastrophe geendet. Pellow berichtet, einer der Spanier habe eine Muskete gestohlen und bei einer Besichtigung der Bauarbeiten auf die Brust des Sultans abgefeuert. Aber er verlor im entscheidenden Augenblick die Nerven, und »die beiden Kugeln, mit denen er die Waffe geladen hatte, schlugen in den Sattelknauf des Herrschers«. Mulai Ismail war außer sich, als er begriff, was geschehen war. Der Mann wurde festgehalten und alle erwarteten, dass er »einen grausamen Tod erleiden müsse«. Aber der unberechenbare Sultan wurde von Mitgefühl übermannt. Er fragte den Spanier, »was er getan habe, um eine solche Behandlung zu verdienen, ob er nicht mehr geliebt werde und das Volk seiner überdrüssig sei«. Dann bewies er ungewöhnlichen Großmut und »schickte ihn ruhig zu den übrigen Christen zur Arbeit zurück«.
Die Gewalttätigkeit des Sultans gab den Sklaven, die am Palastkomplex von Meknes arbeiteten, immer wieder Anlass zur Klage. Sie fürchteten, ihre Angehörigen in der Heimat wüssten nichts von ihrem Leid. Thomas Goodman, ein Seemann von der
Francis,
schrieb im November 1716 einen Brief an seine Lieben und berichtete ihnen von der schrecklichen Behandlung durch den marokkanischen Sultan.
»Ich erdulde große Mühsal, denn wir müssen Tag und Nacht arbeiten und werden wie Schafe angetrieben.« Er beschrieb die Zwangsarbeit als fast unerträglich: »Wenn wir zur Arbeit aufbrechen, wissen wir nicht, ob wir lebend zurückkehren werden oder nicht, denn sie sind sehr barbarische Menschen und geben uns nichts als Wasser und Brot.« Nachdem er seine Angehörigen angefleht hatte, für ihn und seine überlebenden Kameraden zu beten, gab er seiner Verzweiflung und Niedergeschlagenheit Ausdruck: »Es gibt keinen schlimmeren Gedanken für mich als den, wie glücklich ich einst lebte, und dass ich nun schlechter als ein Hund lebe und nackt bin und keinen Fetzen Kleidung habe, um meine Nacktheit zu verbergen.«
Thomas Meggison, ein weiterer englischer Gefangener, flehte die Seinen in der Heimat an, vor Einbruch des Winters etwas zu tun, um ihm zu helfen, da er um das Leben vieler kranker Freunde fürchtete. »Gott weiß, dass unsere armen Männer in einer elenden Verfassung sind und jeden Tag fast am Mangel sterben. Ohne Gottes großes Erbarmen werden sie bis zum Winter verhungern, und für alle Nationen wird gesorgt außer für die armen Engländer, die von ihrem Land keine Unterstützung außer einigen Lügen und Geschichten erhalten.«
Meggisons Furcht vor dem Winter war berechtigt, denn die Reihen der bereits geschwächten Männer lichteten sich rasch. Zu Beginn des Jahres 1717 erfuhr Thomas Pellow, dass sein Onkel schwer krank war und dass kaum Hoffnung auf Genesung bestand.
Wenige Tage später
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