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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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er wurde gedrängt, »einen wohltätigen Beitrag« für die Witwen der Sklaven zu leisten, die vielfach in tiefem Elend lebten und vom Hungertod bedroht waren.
    Überbracht wurde die Petition von Jezreel Jones, einem Mitarbeiter der Royal Society. Er erklärte, die britischen Sklaven seien in wirklich furchtbarer Verfassung und würden bald »umkommen aufgrund des extremen Mangels, der schweren Arbeit, der fehlenden Bekleidung, derharten Prügel und ihrer Unfähigkeit zu arbeiten«. Aber König Georg zeigte so wenig Interesse am Schicksal der Gefangenen, dass sich Jones stattdessen an Joseph Addison wandte, den neu ernannten Secretary of State for the Southern Department, der für die Beziehungen Großbritanniens zu Südeuropa, zu den Staaten des Mittelmeerraums und zu den Neuenglandstaaten zuständig war.
    Addisons Ernennung hatte alle Welt überrascht. Zwar war er seit 1708 Parlamentsmitglied, aber er war in der Kammer bestenfalls durch seine außergewöhnliche Unauffälligkeit aufgefallen. Bei seinem einzigen Versuch, im House of Commons das Wort zu ergreifen, hatte er sich durch die Zurufe – »Hört was er zu sagen hat! Hört was er zu sagen hat!« – derart einschüchtern lassen, dass er rasch den Rückzug angetreten und sich wieder gesetzt hatte. Aber er besaß einen brillanten Verstand und verzückte die Intellektuellen der Hauptstadt mit seinen Essays in
The Spectator
,
Tatler
und
Guardian
. Als James Stanhope, ein führender Whig, im Jahr 1717 zum ersten Schatzkanzler ernannt wurde, hatte er Addison diesen Posten angeboten.
    Addison war schon als Kind vom maghrebinischen Königreich fasziniert gewesen. Sein Vater hatte in der Garnison von Tanger gedient, und der junge Joseph war mit den Berichten über das Leben im Land der Mauren aufgewachsen. Die romantischen Geschichten Lancelot Addisons – die er im Jahr 1671 veröffentlicht hatte – waren mit Episoden über galante Kriegsherren gewürzt. Er warnte vor den maurischen Kriegern, die er als verräterisch und »von unbarmherzigem Hass erfüllt« bezeichnete, während er sich über die reizenden weiblichen Angehörigen dieses Volkes wohlwollender äußerte: Die Frauen beschrieb er als »schön, üppig und ebenmäßig gebaut«, was ein Hinweis darauf war, dass er versucht hatte, diesen Schönheiten näher zu kommen. Daran hatten ihn jedoch ihre vorsichtigen Ehemänner gehindert, die die Frauen »streng unterwerfen und in der Abgeschiedenheit halten, weshalb der Ehebruch in ihren Betten unbekannt ist«.
    Joseph Addison interessierte sich mehr für den Charakter von Mulai Ismail, der ihn gleichermaßen faszinierte und abstieß. Im Jahr vor seiner Ernennung zum Minister veröffentlichte er in
The Freeholder
einen Essay über die Tyrannei. Darin nannte er Mulai Ismails brutale Despotie als Beispiel für die schlimmste Herrschaftsform, die er der aufgeklärten parlamentarischen Regierung Großbritanniens gegenüberstellte. Die Untertanendes Sultans, so Addison, lebten in ständiger Furcht vor seinen unvorhersehbaren Wutausbrüchen und müssten in seiner Gegenwart stets vollkommene Unterwerfung zeigen. Nicht einmal seine Berater könnten ihre Ansichten offen äußern. Addison erklärte, der Sultan sei daran gewöhnt, die Regierungsgeschäfte »unter freiem Himmel auf dem Rücken eines Pferdes« zu führen, während »seine Kaids oder Gouverneure barfuß, zitternd und mit gesenktem Kopf um ihn stehen und bei jedem seiner Worte in leidenschaftliche Beifallsbekundungen ausbrechen müssen«.
    In demselben Essay klärte Addison seine Leser darüber auf, dass Mulai Ismail seine christlichen Sklaven zwinge, ein Lustschloss von wahrhaft monumentalen Ausmaßen zu errichten. Der Sultan setze für diese Bauarbeiten tausende Sklaven ein und habe die Gewohnheit, »seinen delikaten Geschmack unter Beweis zu stellen, indem er ein gerade fertig gestelltes Gebäude wieder abreißen und alle, die Hand daran gelegt hatten, töten lässt«.
    Addison dachte seit Langem darüber nach, wie man gegen Mulai Ismail am besten vorgehen sollte. Alle bisherigen Versuche, vernünftige Beziehungen zum Sultan herzustellen, waren gescheitert, und es war offensichtlich, dass die Überwindung dieser Krise eine komplexe Aufgabe sein würde. Es war erst wenige Monate her, da war Admiral Charles Cornwall nach Marokko geschickt worden, um »Satisfaktion« für die Raubzüge der Korsaren von Salé zu verlangen und »für die Freilassung aller gegenwärtig in der Berberei festgehaltenen Untertanen

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