Weisses Gold
Pferde und wählte seine vertrauenswürdigsten Sklaven aus, um die Tiere zu hegen. Je zwei Gefangene hatten zehn Hengste mit jedem erdenklichen Luxus zu versorgen. Die Lieblingspferde des Sultans wurden mit leicht parfümiertem Kuskus und Kamelmilch gefüttert. Andere Pferde bekamen feine Kräuter, die jeden Morgen von den Sklaven gesammelt wurden. Und jene Pferde, die für die Pilgerfahrt nach Mekka benötigt wurden, erhielten eine wahrhaft königliche Behandlung: Sie waren von jeder Arbeit befreit, und nicht einmal der Sultan ritt sie. Die Sklaven, die für diese heiligen Tiere sorgten, hatten strikte Anweisungen und wurden hart bestraft, wenn sie ihren Pflichten nicht gewissenhaft nachkamen: Wann immer das Pferd Wasser ließ, mussten sie mit einem Gefäß zur Stelle sein, damit der heilige Harn nicht den Boden berührte. Einige Jahre zuvor hatte der französische Botschafter Pidou de St. Olon mit ungläubigem Staunen zugesehen, wie ein kurz zuvor aus der heiligen Stadt zurückgekehrtes Pferd vorgeführt wurde: »Es wurde feierlich zu [Mulai Ismail] gebracht. Den Schweif hielt ein christlicher Sklave hoch, der einen Topf für die Exkremente und einen Lappen zum Reinigen des Tiers bei sich trug. Man erzählte mir, der König küsse von Zeit zu Zeit den Schweif und die Fesseln dieses Pferdes.«
Eine Gruppe eigens ausgewählter Sklaven betreute die weitläufige Menagerie des Sultans. Viele der dort gehaltenen Tiere, darunter Wölfe, Leoparden, Löwen und Luchse, waren Geschenke afrikanischer Herrscher. Besonders am Herzen lagen dem Sultan zwei Kamele, die »so weiß wie Schnee waren« und alle zwei Tage von den Sklaven mit Seife gewaschen wurden.
Mulai Ismail war auch ein Katzenliebhaber. Er hielt 40 Katzen als Haustiere, »die jeweils einen Namen trugen«. Er besuchte sie stets zur Zeit der Fütterung und pflegte ihnen »große Stücke Hammelfleisch« vorzuwerfen. Einmal entdeckte der Sultan zu seinem Entsetzen, dass eine seiner Lieblingskatzen einen Hasen aus dem Käfig geholt und getötet hatte. Doch anstatt wie erwartet den verantwortlichen Sklaven zu bestrafen,befahl der Sultan, »dass ein Scharfrichter diese Katze nehmen, an einem Seil durch die Straßen von Meknes schleifen, das Tier hart geißeln und mit lauter Stimme rufen [sollte]: ›So verfährt mein Herr mit schurkischen Katzen!‹« Am Ende des grausigen Spektakels wurde dem unglücklichen Tier der Kopf abgehackt.
Die Sklaven lebten in ständiger Furcht vor den Launen des Sultans – und genau das war seine Absicht –, denn jeder musste damit rechnen, Mulai Ismails nächstes Opfer zu werden. Die Gefangenen von der britischen Insel und aus den amerikanischen Kolonien schrieben wenig darüber, wie sie die innere Kraft fanden, um den täglichen Schrecken des Lebens im Sklavenpferch zu überleben. Aber als der Prediger Cotton Mather aus Boston im Jahr 1681 eine Gruppe freigelassener Amerikaner aus Algier traf, erzählten sie ihm, sie hätten große Kraft im gemeinsamen Gebet gefunden: »[Sie] bildeten eine Gesellschaft und genossen in der Sklaverei die Freiheit, am Abend des Tags des Herrn zusammenzukommen.« Die Männer warnten einander davor, der Versuchung der Apostasie nachzugeben, und legten sogar einen Verhaltenskodex fest, »um Verstöße zu vermeiden und zu unterdrücken«. Viele Sklaven aus den amerikanischen Kolonien waren tiefreligiöse Menschen, die in strenggläubigen puritanischen Familien aufgewachsen waren. Joshua Gee, ein Puritaner aus Boston in Massachusetts, erklärte, seine Qualen allein dank des Gebets überstanden zu haben: »Wenn es nirgendwo anders Linderung gab, fand ich stets Trost in der Suche nach Gott. Es war ein Segen für mich, dass ich die heilige Schrift in meiner Jugend so genau studiert hatte.«
Auch die britischen Sklaven in Meknes schöpften Kraft aus dem Gebet. Francis Brooks berichtete, dass sie »für ihren eigenen König und ihr Land und dafür beteten, dass es Gott gefallen möge, [den Menschen in der Heimat] das Herz zu öffnen, damit sie sich an sie in ihrer traurigen und bedauernswerten Lage erinnern möchten«. Sie beteten für ihre Familien und für ihre Kameraden. Aber vor allem beteten sie dafür, aus ihrer entsetzlichen und leidvollen Lage befreit zu werden.
Diese protestantischen Gefangenen betrachteten ihre katholischen Leidensgenossen stets mit Neid. Den katholischen Sklaven gewährte Mulai Ismail eine gewisse Freiheit bei der Ausübung ihrer Religion – dasselbe galt für den algerischen Dei und
Weitere Kostenlose Bücher