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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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Heimat sein sollte, existiert heute nicht mehr. Ihre rosafarbenen Mauern aus Stampferde zerfielen vor langer Zeit zu Staub, und der Winterregen spülte jede Spur ihrer Fundamente fort. Doch beim Bau der Festung wurde ein Muster befolgt, das mit geringen Abwandlungen überall in Marokko verwendet wurde. Die Außenmauern wurden mit Türmen versehen, auf denen schwere Artillerie postiert werden konnte. Auch das Eingangstor wurde mit Kanonen gesichert. Im Inneren stand wahrscheinlich eine Reihe niedriger Häuser, und es dürfte dort auch eine kleine Moschee mit einem Dach aus malachitgrünen Ziegeln gegeben haben.
    Pellows Hoffnung, in der Kasbah einen annehmlichen Wohnort zu finden, wurde bald enttäuscht: »Beim Eintritt in die Festung sah ich, dass sie in einem sehr schlechten Zustand war und dass es dort an fast allem mangelte.« Kommandant Triffoe schickte Pellows Leuten »Ausrüstungund Vorräte hinein, mit denen [sie] sechs Monate überdauern konnten«. Nachdem die Garnison die Kasbah bezogen hatte, brach Triffoe mit seinen Truppen nach Marrakesch auf. Nun hatte Themos Pellow mit gerade einmal 16 Jahren den Befehl über 300 Renegaten. Das Schicksal dieses jungen Sklaven, der wenige Jahre früher beinahe zu Tode gefoltert worden wäre, hatte eine bemerkenswerte Wendung genommen.
    Pellow entdeckte rasch, dass das Leben in Temsna sehr viel angenehmer war als in Meknes. Hier musste er sich nicht vor der harten Hand des Sultans fürchten, und die Besatzung musste nicht ein einziges Mal zu einem Kampfeinsatz ausrücken. »Ich und meine Kameraden … [wir hatten] nichts anderes zu tun, als nach Mitteln und Wegen zu suchen, um uns abzulenken und zu unterhalten, … freundschaftlich zusammenzuleben und uns die Zeit möglichst angenehm zu vertreiben.« Fern der Hauptstadt und von dichten Wäldern umgeben, verbrachten die Männer einen Großteil ihrer Zeit mit der Jagd auf »Rebhühner, Hasen und Schakale«. Wann immer sie ihre Waffen abfeuerten, scheuchten sie Schwärme von Vögeln auf, die dann von den besten Schützen vom Himmel geholt wurden.
    Pellow selbst verbrachte jede Woche vier Tage auf der Jagd, und das »mit sehr gutem Erfolg«: »… denn wir töteten Tiere aller Art in großer Zahl und kehrten am Abend mit Beute beladen heim, so dass wir nie auf eine gute Mahlzeit verzichten mussten«. Nun, da Kommandant Triffoe fern war, konnten die Männer die köstlichen Wildschweine verzehren, die sie geschossen hatten: »Wenn wir am Abend heimkehrten, brieten wir stets drei oder vier wilde Säue im Ganzen.« Noch angenehmer wurde das Leben der Garnison, als es gelang, den Bewohnern der Gegend Wein abzukaufen. »Die Einwohner des umgebenden Landes« – bei denen es sich offenbar um Juden handelte – »brachten uns jede Woche mehrere Häute sowie andere Geschenke zum Dank dafür, dass wir die wilden Tiere erlegten.« Pellow wusste, dass der Verzehr von Schweinefleisch und Wein in Meknes »zwei sehr schwere Verstöße gegen das Gesetz« waren (und dort mit dem Tod bestraft worden wären), aber hier auf dem Land konnten sie tun, was ihnen gefiel. An Flucht war nicht zu denken, da es in der Gegend von Spitzeln wimmelte, aber innerhalb der Mauern der Kasbah wurden sie von niemandem beobachtet.
    Pellow und seine Leute fürchteten sich vor dem Tag, an dem man von ihnen verlangen würde, für den Sultan zu kämpfen. Dieser Tag kamschließlich drei Monate nach ihrer Ankunft in der Festung Temsna: »Ich erhielt einen herrischen Befehl des Pascha, ihm mit zweihundert meiner Männer zur Hilfe zu eilen … und die übrigen hundert zur Sicherung der Garnison zurückzulassen.« Diese Nachricht, die unter seinen Männern Niedergeschlagenheit auslöste, muss ein besonders schwerer Schlag für Pellow gewesen sein, hatte er doch gerade erst erfahren, dass seine Frau ihr erstes Kind erwartete. Nun war klar, dass er ihr in der Schwangerschaft nicht zur Seite stehen konnte. Er muss auch gefürchtet haben, sein Kind nie zu Gesicht zu bekommen, da die Truppen des Sultans bei fast allen Feldzügen gegen Aufständische hohe Verluste erlitten. Mit größtem Bedauern nahm Pellow Abschied von seiner Frau, wählte die benötigten Männer aus und machte sich mit seiner Truppe auf den Weg nach Marrakesch.
    Die nächsten Nachrichten, die er erhielt, waren tatsächlich so unheilvoll, wie er befürchtet hatte. Mehrere Stämme in den Bergen des Atlas hatten sich verbündet und gegen Mulai Ismail erhoben, und das Signal zum Aufstand war ihre Weigerung

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