Weisses Gold
stellen.« Der Scharfrichter erhielt den Befehl, sie zu enthaupten, »was er augenblicklich mit zwei Streichen tat, wobei er mit einem Schlag zwei Köpfe auf einmal abtrennte.«
Zu seiner Verblüffung stellte Thomas Pellow fest, dass der oberste Scharfrichter des Sultans »ein Mann aus Exeter war, dessen Familiennamen [er] vergessen habe, obwohl [er s]ich sehr wohl entsinne, dass sein christlicher Name Absalom war«. Es gelang Pellow, nach der Hinrichtung einige Worte mit dem Mann zu wechseln, der ihm – offenbar ohne jede Ironie – erklärte, dass er in England »den Beruf des Schlachters erlernt habe«.
Mulai Ismail bedrohte die übrigen Aufständischen mit der Hinrichtung, entschloss sich schließlich jedoch, sie zu begnadigen, da sie »nie wieder an ihre Wohnorte zurückkehren, sondern dort leben würden, wo er sie hinschicken würde«. Bevor sie aus dem Palast geführt wurden, mussten sie noch eine letzte Tortur über sich ergehen lassen. Um sie für den Rest ihres Lebens als Männer kenntlich zu machen, die sich gegen den Sultan aufgelehnt hatten, brandmarkte man sie »mit einem glühenden Eisen auf der Stirn«.
Nachdem Mulai Ismail über das Schicksal der Aufständischen entschieden hatte, befahl er Thomas Pellow, ihm die Trophäen und Beutestücke zu zeigen. Bei der Begutachtung des Zaumzeugs und der Sättel dachte er laut über den Wohlstand der rebellischen Stammesfürsten nach. »Diese Hunde sind zweifellos sehr reich«, sagte er, »aber was ist das hier verglichen mit dem, was zurückgelassen wurde.«
Er warnte Pellow und seine Männer, die gewaltige Menge an Gütern, die sie erbeutet hätten, sei »nicht mehr als … ein kleiner Teil dessen, was dort zu finden sei«. Sollte nicht weitere Beute zum Vorschein kommen, so werde er seine Boten losschicken, »um sie zu beschaffen, und ihre Köpfe dazu«. Diese Worte hallten in Pellows Ohren wider, als er weggeführt wurde.
Thomas Pellow und die anderen europäischen Renegaten im maghrebinischen Königreich lebten in einer Schattenwelt zwischen Knechtschaft und Sklaverei. Sie wurden nur selten in Ketten gelegt oder musstenSchwerarbeit leisten, aber sie mussten einem verhassten Herrscher dienen. Laut der Beschreibung des Franzosen Pidou de St. Olon lebten die Renegaten von den anderen Gefangenen des Sultans getrennt, waren deshalb jedoch »nicht weniger seine Sklaven«. Eine Flucht war nicht möglich, und die Freiheit blieb auch für sie ein Traum.
Es ist nicht bekannt, wie viele Renegaten unter Mulai Ismail dienten. In den Registern der Gefangenen, die von Botschaftern und Geistlichen zusammengestellt wurden, tauchten sie selten auf. Und die Regierungen ihrer Heimatländer bezogen sie nicht in die Verhandlungen mit dem Sultan ein. Sie wurden für den Verrat am christlichen Glauben verachtet und ihrem Schicksal überlassen.
Damit begingen die europäischen Regierungen einen schweren Fehler, denn die Renegaten waren sehr viel zahlreicher als die Gefangenen, die in den Sklavenpferchen gehalten wurden, und trugen ungewollt wesentlich dazu bei, Mulai Ismails Macht zu festigen. Ohne die Dienste der Apostaten – von denen sich viele nichts sehnlicher wünschten als eine Gelegenheit zur Flucht – wäre es dem Sultan sehr schwer gefallen, die immer wieder ausbrechenden Aufstände gegen seine Herrschaft zu unterdrücken. Der französische Konsul Jean-Baptiste Estelle hatte einige Jahre früher beobachtet, dass die 40 000 Musketen im Arsenal des Sultans zum Großteil von Renegaten hergestellt worden waren und dass der Sultan »bald viel mehr haben wird, da christliche Sklaven in Fes jeden Monat 400 Kanonenrohre gießen, die von sehr guter Qualität sind«.
Unter den besten Waffenbauern war ein irischer Renegat namens Carr. Dieser Zeitgenosse Pellows war als Junge in die Hände der Korsaren gefallen und freiwillig zum Islam übergetreten. »Die Versuchung war sehr groß«, schrieb der Engländer John Braithwait, der Carr Ende um das Jahr 1730 begegnete. »Man bot ihm schöne Frauen und alle Reichtümer dieses Landes an, und hätte er diese ausgeschlagen, so hätte er nichts als Sklaverei, Elend und extremen Mangel erwarten dürfen.« Mulai Ismail brachte Carr aufgrund von dessen Können als Waffenbauer ungewöhnlichen Respekt entgegen. »[Er] pflegte ihn Bruder zu nennen und gab ihm oft seine eigenen Kleider und umarmte und liebkoste ihn sehr und bot ihm die wichtigsten Ämter des Landes an.« Er ernannte ihn sogar zum Kaid und beförderte ihn für kurze Zeit
Weitere Kostenlose Bücher