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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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hell und heiß am Himmel und vertrieb den letzten Nebel aus den Zypressen. Der Wind roch schwach nach Verwesung – ein totes Tier irgendwo im Sumpf.
    »Geht dir was im Kopf rum, Dave?« fragte Batist. Er hatte einen Schädel wie eine Kanonenkugel; ein Paar Marinehosen hing ihm schlaff an den schmalen Hüften, und sein vom vielen Waschen fast aufgelöstes Unterhemd wirkte auf der massigen pechschwarzen Brust und dem breiten Rücken wie ein zerfetzter weißer Lumpen.
    »Nein, eigentlich nicht.«
    Er nickte mit dem Kopf, steckte sich eine trockene Zigarre in den Mund und blickte aus dem Fenster auf ein Gewirr toter Äste und Hyazinthen, das in der Strömung des Bayou an uns vorbeitrieb.
    »Ist nix Schlimmes, wenn einem was im Kopf rumgeht«, sagte er. »Schlimm ist bloß, wenn man’s keinem sagt.«
    »Was meinst du, wie sollen wir die Hühnchen würzen?«
    »Sie kommt schon wieder in Ordnung. Du wirst schon sehen. Dazu gibt’s ja all die Doktors.«
    »Danke, Batist.«
    Ich sah Alafair. Sie lief mit Tripod an der Kette zwischen den Pecanbäumen hindurch vom Haus her zu uns. Sie war jetzt in der dritten Klasse, und sie stand ziemlich gut im Futter, so daß ihr altes T-Shirt von der Louisiana State University in Gold und Lila mit dem lächelnden Universitätsmaskottchen, dem Tiger Mike darauf, nicht mehr bis über den Bauch reichte. Man sah den Nabel und den Stretchbund ihrer Jeans. Ihr glänzendes schwarzes Haar ging ihr bis über die Ohren, und ihre Haut blieb das ganze Jahr sonnengebräunt. Ihre indianischen Zähne standen leicht auseinander, und wenn sie lächelte, verschwanden ihre dunklen Augen fast völlig in den weichen Wangen. Wie ich sie jetzt hochhob, war sie schwer und kompakt, voller Energie und Spieltrieb und Erwartungsfreude. Aber drei Jahre zuvor, als ich sie draußen auf dem Meer nach einem Flugzeugabsturz aus der schnell sinkenden Maschine gezogen hatte – der Pilot war ein Prediger aus Lafayette gewesen, der illegal Flüchtlinge aus El Salvador ins Land brachte –, da hatte sie Wasser in den Lungen gehabt, und ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet, als wir in einem Strudel von Luftblasen zur Wasseroberfläche hochstiegen, und ihre dünnen Knochen waren so dünn und zerbrechlich wie die eines Vogels gewesen.
    Tripod stapfte heraus auf den Bootssteg. Seine Kette rasselte laut auf den Holzplanken.
    »Dave, du hast das Kaninchenfutter draußen liegenlassen. Tripod hat’s im ganzen Garten verstreut«, sagte Alafair. Sie strahlte.
    »Und das findest du wohl sehr komisch, Kleines?« sagte ich.
    »Ja«, sagte sie und grinste wieder.
    »Batist hat mir gesagt, daß du Tripod gestern in den Köderladen mitgebracht hast, wo er sich über die hartgekochten Eier hergemacht hat.«
    Sie blickte mich fragend an, als wisse sie von nichts.
    »Tripod hat das getan?« sagte sie.
    »Kennst du sonst noch jemanden, der ein hartgekochtes Ei im Köderbecken waschen würde?«
    Sie blickte nachdenklich über den Bayou, als läge zwischen den Ästen der Zypressen die Lösung eines großen Geheimnisses verborgen. Tripod lief im Zickzack an der Kette. Er roch den Fisch auf dem Bootssteg.
    Ich strich Alafair über den Kopf. Das Haar war schon warm von der Sonne.
    »Wie wär’s mit etwas Pastete, Kleines?« sagte ich und blinzelte ihr zu. »Aber du und Tripod, ihr solltet euch Batist gegenüber etwas mehr Zurückhaltung auferlegen.«
    »Was sollen wir?«
    »Sieh lieber zu, daß Tripod Batist nicht mehr in die Quere kommt.«
    Ich holte ein Tablett mit gewürzten und mit Öl bestrichenen Hühnchen aus dem Laden und machte mich daran, sie auf dem Grill zu verteilen. Das Hickoryholz, das ich dazu verwendete, das Feuer richtig in Gang zu bringen, war zu heißer, weißer Kohle verglüht, und von den Hühnchen tropfte Öl in die Asche, das sich in zischenden Dampf verwandelte, der vom Wind davongetragen wurde. Ich spürte Alafairs Blick auf meinem Gesicht.
    »Dave?«
    »Ja, Alf?«
    »Bootsie hat mir gesagt, ich soll’s dir nicht erzählen.«
    »Nun, vielleicht erzählst du mir’s dann besser auch nicht.« Ich drehte den Kopf zu ihr und lächelte sie an, aber ihre dunklen Augen waren verschleiert und beunruhigt.
    »Bootsie hat eine Gabel auf den Boden fallen lassen«, sagte sie. »Als sie sie aufheben wollte, wurde auf einmal ihr Gesicht ganz weiß, und dann mußte sie sich ganz schnell hinsetzen.«
    »Ist das heute morgen gewesen?«
    »Gestern, als ich aus der Schule gekommen bin. Sie hat geweint, bis sie gemerkt hat, daß ich sie

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