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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Partner. Genau da hat er seinen ersten Bohrturm aufgestellt, und er hat mitten durch diesen spanischen Brunnen hindurchgebohrt. Gewissermaßen als Statement, glaube ich. Einer der Arbeiter dort hat mir erzählt, daß lauter Knochenstücke an der Bohrspitze waren, als sie anfingen.«
    »Ich werd’ dran denken. Danke, daß du gekommen bist, Lyle.«
    »Als den großen Durchbruch in dem Fall scheinst du das ja nicht gerade zu empfinden?«
    »Wenn Menschen anderen Menschen vorsätzlich und mit Plan nach dem Leben trachten, dann im Normalfall wegen Geld. Nicht immer, aber doch meistens.«
    »Nun, für jeden Mann kommt der Tag, wo er zuhören muß.«
    »Ach ja?«
    »Ich war selbst nie ein guter Zuhörer. Jedenfalls so lange nicht, bis ich mein Augenmerk jemandem da oben zugewendet hab’. Ich mache dir keinen Vorwurf, Dave.«
    »Weißt du, was ein passiv-aggressives Verhaltensmuster ist?«
    »Bin nie auf dem College gewesen, anders als du und Weldon. Klingt richtig gelehrt.«
    »Das ist kein sonderlich gelehrtes Konzept. Es besagt, daß eine Person mit viel Aggressivität und Feindseligkeit lernt, dies in Unterwürfigkeit und bisweilen sogar Religiosität zu maskieren. Es ist ein sehr effektives Verhaltensmuster.«
    »Wirklich? Hast du das alles im College gelernt? Wirklich zu schade, daß mir das entgangen ist.« Er grinste mit einem Mundwinkel, zeigte kaum Zähne dabei, wie ein Opossum.
    »Ich will dir mal eine Frage stellen, ohne Umschweife, ohne Drumherum, Lyle«, sagte ich.
    »Schieß los.«
    »Gibst du mir die Schuld an deinem letzten Tag?«
    »Was meinst du damit?«
    »In Vietnam. Ich habe dich schließlich in diesen Tunnel geschickt. Ich wünschte, wir hätten ihn einfach in die Luft gejagt und wären weitergezogen.«
    »Du hast mich da nicht runtergeschickt. Mir hat’s da unten gefallen. Das war meine eigene unterirdische Horrorshow. Die Schlitzaugen dachten, der Zorn Gottes sei in die Eingeweide der Erde hinabgekrochen. Dafür hab’ ich gesorgt. Das war nicht gut, mein Sohn.« Er zuckte halb amüsiert zusammen und hob die Hände. »Tut mir leid, ist mir nur so rausgerutscht.«
    Ich sah auf die Uhr.
    »Ich schätze, das ist das Zeichen für meinen Abgang«, sagte er. »Danke für deine Zeit. Sag Bootsie einen Gruß von mir, und denk nicht allzu schlecht von mir.«
    »Das tue ich nicht.«
    »Das ist schön.«
    Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging durch das welke Laub zu seinem Cadillac. Dann blieb er stehen, rieb sich heftig hinten im Nacken, als ob sich ein Moskito tief in seine Haut gegraben hätte, drehte sich um und starrte mich mit leerem Blick an, als habe ihn blitzartig eine böse Erkenntnis getroffen.
    »Es ist eine Krankheit, die im Blut lebt. Sie heißt Lupus. Es tut mir leid, Dave. Bei Gott, es tut mir leid«, sagte er.
    Ich stand da mit offenem Mund und hatte das Gefühl, als sei ein kalter Windzug durch meine Seele gefahren.
    Der nächste Morgen war Samstag, und der Sonnenaufgang leuchtete blumig-rosa über den Trauerweiden und abgestorbenen Zypressen im Sumpf und den Nebelbänken, die aus den Buchten heraustrieben. Batist und ich machten den Köderladen auf, sobald es hell wurde, und die Luft war so kühl und mild, und es war ein so vollendet schöner Morgen mit den blauen Schatten und dem Duft des Jasmin, der nachts blühte, daß ich Lyle und seinen Versuch, vorgeblich alles über die Krankheit meiner Frau zu wissen, einfach vergaß. Für mich selbst war ich zu dem Schluß gekommen, daß Lyle kaum anders war als die ganzen anderen schmierigen Fernsehprediger. Jemand, der Bootsie gut kannte, hatte ihm vermutlich von ihrer Krankheit erzählt. Trotzdem, ich hatte nicht vor, mir das Wochenende mit weiteren Gedanken an die Sonnier-Familie zu verderben.
    Manche Menschen waren einfach dazu geboren, früher oder später einen schweren Fall zu tun, dachte ich bei mir. Wahrscheinlich war Weldon einer von ihnen. Außerdem konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Lyle eine dieser Figuren war, die sich selbst mit allerlei theologischem Brimborium neu erschaffen, nur um schließlich doch von den eigenen Neurosen aufgefressen zu werden.
    Nachdem wir die meisten unserer Boote vermietet hatten, fischten Batist und ich mit Netzen die toten Köderfische aus den Aluminiumbecken, schütteten kleingestoßenes Eis über die Bier- und Limonadenflaschen in den Kühltruhen und entfachten den Grill, den ich selbst aus einem alten Ölfaß zusammengebaut hatte. Um acht stand die Sonne schon leuchtend

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