Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weißglut

Weißglut

Titel: Weißglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
Vom Netzwerk:
was er gesagt hatte, hatte Huff sich zusammengereimt, dass die Depression so etwas wie ein Krieg gewesen war, der das ganze Land getroffen hatte, nur dass die Armut ihr Feind gewesen war. Die Familie seines Daddys hatte den Krieg verloren.
    Dabei waren sie schon immer arm gewesen. Genau deshalb hatte sein Daddy nur drei Jahre zur Schule gehen können. Er hatte mit seinem eigenen Daddy und manchmal sogar mit seiner Ma auf den Baumwollfeldern arbeiten müssen. »Ihre Hände waren so blutig, und an ihren Titten hing immer mindestens ein Baby«, hatte er Huff oft mit niedergeschlagener Miene erzählt.
    Mittlerweile waren die Eltern seines Daddys gestorben, genau wie Huffs Mutter. Als Huff gefragt hatte, was sie getötet hatte, hatte sein Daddy geantwortet: »Das Armsein, schätze ich.«
    In jenem Sommer im Jahr 45 war es noch schwerer als sonst, einen Job zu finden, weil so viele Soldaten aus dem Krieg heimkamen und Arbeit suchten. Es war einfach nicht genug für alle da. Darum war es wie ein Wunder, als Mr. J. D. Humphrey seinen Daddy als Hilfskraft auf dem Schrottplatz anstellte.
    Es war eine schmutzige und anstrengende Arbeit, aber sein Daddy war dankbar für den Job und ging ihn mit ganzer Kraft an. Wenn jemand auf J. D. Humphreys Gelände kam und nach einem Ersatzteil für einen alten Wagen suchte, durchstöberte sein Daddy die Halden von uralten Autos, bis er gefunden hatte, was der Kunde wünschte.
    Jeden Abend war er schmutzig und ölverschmiert, blutete aus zahllosen Schürfwunden, die ihm das rostige Metall beigebracht hatte, und spürte jeden einzelnen Muskel, nachdem er den ganzen Tag widerspenstige Motoren aus der Karosserie gelöst hatte. Aber er war so froh, endlich eine feste Arbeit zu haben, dass er sich nie beschwerte.
    Huff verbrachte die Tage mit ihm zusammen auf dem Schrottplatz. Er war klein für sein Alter und so schüchtern, dass er mit niemandem außer seinem Daddy reden wollte. Gelegentlich bekam er einen kleinen Auftrag und durfte ein Werkzeug aus dem Werkzeugschuppen holen oder runderneuerte Reifen stapeln.
    Mr. J. D. Humphrey schenkte ihm sogar einen überzähligen Schlauch, der so oft geflickt worden war, dass er wertlos war. Huff spielte damit im Staub, während sein Daddy Tag für Tag außer Sonntag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schuftete.
    Sein Daddy erklärte ihm, dass er vielleicht im Herbst zur Schule gehen könnte, falls alles weiterhin so gut lief. Huff wäre ein Spätstarter, erklärte ihm sein Daddy, aber er hätte die anderen Kinder bestimmt im Nu eingeholt.
    Huff konnte es kaum erwarten, endlich wie die anderen Jungs in die Schule zu gehen. So oft hatte er sie aus sicherer Entfernung beobachtet, wenn sie lachend auf dem Schulhof herumtobten, sich Bälle zuwarfen oder die Mädchen jagten, die kreischend und kichernd mit ihren Schleifen im Haar davonliefen.
    In jenem Sommer war eine leer stehende Hütte ihr Zuhause. Die Menschen, die früher hier gelebt hatten, hatten eine Menge Müll hinterlassen, aber auch eine auf dem Boden liegende Baumwollmatratze und ein paar morsche Möbel. Er und sein Daddy hatten den Dreck rausgeworfen und waren eingezogen.
    Die Nacht, die Huffs Leben radikal verändern sollte, war genauso heiß wie alle anderen, aber noch feuchter als üblich. Der Schweiß verdunstete nicht mehr, sondern rann über die Haut und hinterließ dabei schmutzige Spuren, ehe er irgendwann abtropfte und im Staub landete, wo er kleine Krater wie von vereinzelten Regentropfen hinterließ. Man konnte kaum tief einatmen, so schwer und drückend war die Luft. Auf dem Heimweg vom Schrottplatz hatte sein Daddy eine Bemerkung darüber gemacht, wie heiß und windstill es war, und noch vor dem nächsten Morgen ein Gewitter vorhergesagt.
    Sie hatten sich gerade hingesetzt, um ihr Abendessen aus kaltem Speck, Maisbrot und wilden, am Straßenrand gepflückten Pflaumen zu verspeisen, als sie hörten, wie sich ein Wagen der Hütte näherte.
    Wer konnte das sein, wo sie doch sonst niemand besuchen kam?
    Huffs Herz ballte sich zu einer festen Faust, und er schluckte mühsam einen Bissen trockenes Maisbrot hinunter. Bestimmt war es der Besitzer der Hütte, der wissen wollte, wie zum Teufel sie dazu kamen, in seinem Haus zu wohnen, auf seiner Matratze zu schlafen und an seinem dreibeinigen Tisch zu sitzen. Er würde sie rausschmeißen, und dann hätten sie keine Unterkunft.
    Und wenn sie bis zum ersten Dienstag im September, an dem die Schule anfing, keine neue Unterkunft fanden? Huff

Weitere Kostenlose Bücher