Weißglut
wiederkehrenden Traum erwachte, fühlte er sich unsäglich allein und verlassen. Er freute sich jedes Mal über den Traum, weil es fast so war, als würde ihm sein Daddy einen Besuch abstatten. Aber wenn er aufwachte, war sein Daddy stets tot und er mutterseelenallein.
Er schlug die Augen auf. Chris und Beck standen zu beiden Seiten seines Krankenhausbettes. Chris lächelte. »Willkommen bei uns. Du warst im Schlummerland.«
Verlegen, weil er so tief geschlafen hatte und ihn sein Traum wie jedes Mal sentimental stimmte, setzte Huff sich auf und schwang die Beine über den Bettrand. »Es war nur ein kleines Nickerchen.«
»Nickerchen?« Chris lachte. »Du warst praktisch im Koma. Ich hätte nicht gedacht, dass wir dich überhaupt wach bekommen. Außerdem hast du im Schlaf geredet. Du hast irgendwas gebrabbelt, dass du einen Namen nicht richtig hinbekommst. Was hast du geträumt?«
»Ich will verflucht sein, wenn ich das noch weiß«, grummelte er.
»Wir sind gekommen, weil wir dir helfen wollten, dich für die Heimreise bereitzumachen«, sagte Beck, »aber offenbar kommen wir zu spät, um uns noch nützlich machen zu können.«
Er war schon vor Tagesanbruch aufgestanden und hatte sich angezogen. Im Bett zu liegen war noch nie seine Sache gewesen, daran hatte auch der Aufenthalt im Krankenhaus nichts geändert. »Ich bin abmarschbereit.«
»Wir können es kaum erwarten, Sie loszuwerden.« Dr. Caroe kam mit flatterndem Arztkittel hereingeweht. »Die Schwestern haben Ihre miese Laune gründlich satt.«
»Dann entlassen Sie mich endlich. Ich komme schon jetzt zu spät zur Arbeit.«
»Daran brauchen Sie gar nicht zu denken, Huff. Sie fahren heim«, ordnete der Arzt an.
»Ich werde in der Gießerei gebraucht.«
»Sie brauchen noch Ruhe, ehe Sie Ihr normales Pensum wieder aufnehmen können.«
»Quark. Seit zwei Tagen tue ich nichts weiter, als faul auf dem Arsch zu liegen.«
Schließlich einigten sie sich auf einen Kompromiss. Er würde heimfahren und sich heute ausruhen, und falls er sich morgen besser fühlte, würde er ein paar Stunden arbeiten dürfen, um sich allmählich seinem früheren Tagesablauf anzunähern. Natürlich war diese Meinungsverschiedenheit ein Teil ihrer einstudierten Scharade und wurde eigens für Beck und Chris aufgeführt.
Caroe, dieser Hurensohn, war in der Rolle des fürsorglichen Ärztes etwa so gut wie Al Pacino. Er würde Huff grünes Licht für die Rückkehr zum Arbeitsplatz geben, sobald dieser ihm die vereinbarten Scheine für die ärztliche Hilfe bei der Inszenierung eines überzeugenden Herzinfarktes überreicht hatte.
Die Prozedur mit den Entlassungspapieren stellte seine Geduld auf eine harte Probe, genau wie die Fahrt im Rollstuhl zum Ausgang. Bis man ihn endlich nach Hause geschafft hatte, war er schon auf hundertneunzig.
»Er ist bissiger als eine Mokassinschlange«, sagte Chris zu Selma. »Nehmen Sie sich in Acht.«
Ohne sich um Chris’ Warnung zu scheren, umflatterte sie Huff und bugsierte ihn mit einem Glas Eistee ins Fernsehzimmer, wo sie ihm eine Decke auf den Schoß legte, die er umgehend abwarf. »Ich bin kein gottverdammter Invalide, außerdem ist es draußen an die vierzig Grad! Wenn Sie noch länger hier arbeiten wollen, stecken Sie mich nie wieder mit einer Decke in diesen Stuhl!«
»Sie brauchen gar nicht so zu brüllen, ich bin nicht taub. Und Sie sollten nicht fluchen.« Mit dem für sie typischen Nachdruck hob sie die Decke auf und faltete sie zusammen. »Was möchten Sie zum Mittagessen?«
»Brathähnchen.«
»Tja, Sie bekommen gegrillten Fisch und gedämpftes Gemüse.« Mit diesem letzten Schuss verließ sie das Zimmer und zog energisch die Tür von außen ins Schloss.
»Selma ist die Einzige, die so mit dir reden darf«, bemerkte Chris vom anderen Ende des Zimmers her. Er spielte Darts, wenn auch mit bemerkenswert wenig Begeisterung.
Beck saß auf dem Sofa, einen Fußknöchel auf das andere Knie gelegt, und hatte die Arme über die Rückenlehne gestreckt.
Huff setzte ein Streichholz an die zweite Zigarette, seitdem er das Krankenhaus verlassen hatte. »Ihr macht das gotterbärmlich schlecht.«
»Was denn?«, fragte Beck.
»So zu tun, als wäret ihr unbekümmert.« Er schüttelte das Streichholz aus und sagte: »Schluss mit dem Schmierentheater und raus mit der Sprache.«
»Dr. Caroe hat dir verboten zu rauchen.«
»Der kann mich mal«, sagte Huff zu Chris. »Und versuch nicht vom Thema abzulenken. Ich will wissen, was hier gespielt wird.
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