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Weißglut

Weißglut

Titel: Weißglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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sich wie ein Eindringling vor.
    Die Stille machte sie nervös. Die Treppe war so dunkel, dass sie kaum den oberen Absatz erkennen konnte. Zehn Jahre lang war sie sie nicht mehr hinaufgestiegen. Als sie das letzte Mal heruntergekommen war, hatte sie einen Koffer in der Hand gehalten und war überzeugt gewesen, dass sie nie zurückkehren würde. Natürlich hatte ihr die Zukunft Angst gemacht, aber sie war fest entschlossen gewesen, sich ihr zu stellen.
    Jetzt war sie genauso ängstlich und genauso fest entschlossen, als sie den Fuß auf die unterste Stufe stellte. Die nächsten Schritte fielen ihr schon leichter. Oben auf dem Absatz blieb sie kurz stehen, um das Porträt ihrer Mutter zu betrachten, und spürte das altvertraute, ziehende Heimweh in ihrer Brust. Aber sehnte sie sich wirklich nach diesem Menschen, der von der Leinwand herablächelte, oder sehnte sie sich eher nach dem Bild einer Mutter, nach einem Menschen, an den sie sich wenden konnte und der ihr Trost, Rat und bedingungslose Liebe schenkte?
    Der Flur im ersten Stock wurde nur von zwei matten Nachtlampen in den Steckdosen über der Fußleiste erhellt. Ihre Schritte wurden von dem Läufer gedämpft, der einst Laurels ganzer Stolz gewesen war. Er war ein Erbstück aus dem Südstaaten-Herrenhaus ihrer Urgroßmutter mütterlicherseits.
    Die Tür zu Dannys Zimmer war geschlossen. Sie blieb kurz stehen, ging dann aber weiter, ohne sie zu öffnen, weil sie das Gefühl hatte, dass es ungehörig wäre, sein Zimmer zu betreten, fast so, als würde sie auf sein Grab treten. Die Erinnerung war noch zu frisch, um sie aufzuwühlen.
    Die Tür zu Chris’ Zimmer war nur angelehnt. Wie Selma ihr erzählt hatte, war er wieder heimgekehrt und hatte sein altes Zimmer bezogen, nachdem Mary Beth sich in Mexiko niedergelassen hatte. »Wir haben es etwas anders eingerichtet als damals, bevor er verheiratet war.«
    Sayre warf einen heimlichen Blick hinein und musste widerwillig anerkennen, dass es geschmackvoll eingerichtet war. Die Möbel waren elegant, aber nicht protzig. Die Farben waren unauffällig. Es war ein typisches Männerzimmer, eher nüchtern und etwa so gestaltet, wie auch sie die Unterkunft eines wieder zum Single gewordenen Mannes eingerichtet hätte.
    Unter der Tür zu Huffs Schlafzimmer schimmerte ein dünner Lichtstreifen durch. Ehe sie der Mut verlassen konnte, klopfte sie zweimal kurz an. Die Tür ging sofort auf, und es entstand ein Vakuum, über das sie sich schweigend anblickten.
    Er nahm die glimmende Zigarette aus dem Mund und sah sie nachdenklich an. »Ich hatte entweder Chris oder Beck erwartet.«
    »Ich möchte mit dir reden.«
    Seine Brauen senkten sich missmutig. »So, wie du klingst, möchtest du mir eher den Arsch aufreißen.«
    »Hast du deine Schläger auf Clark Daly gehetzt?«
    Er steckte die Zigarette wieder in den Mund und drehte ihr den Rücken zu. »Komm rein. Wir können das genauso gut jetzt besprechen wie später.«
    Sie folgte ihm in sein Zimmer, das ebenfalls neu eingerichtet worden war. Solange Sayre hier gewohnt hatte, hatte man das elterliche Schlafzimmer mehr oder weniger so gelassen wie zu der Zeit, als ihre Mutter noch gelebt hatte. Aber irgendwann, während sie in San Francisco gewesen war, waren Laurels Rüschen durch strengere Vorhänge und Bettüberwürfe ersetzt worden.
    Huff deutete auf einen kleinen Servierwagen. »Nimm dir was zu trinken.«
    »Ich will nichts zu trinken, ich will eine Antwort. Hast du den Befehl gegeben, Clark zusammenschlagen zu lassen?«
    »Ich wusste nicht, dass es Clark treffen würde.«
    »Aber du hast die Hunde von der Leine gelassen.«
    Er setzte sich in einen großen Lehnsessel und inhalierte, bis die Spitze der Zigarette rot aufleuchtete. »Ich habe da ein paar Burschen, die absolut loyal sind. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen das Gequatsche von einem Streik unterbinden, aber ich habe mich nicht darüber ausgelassen, wie sie das tun sollen.«
    Er zielte mit der Zigarette auf sie. »Ich lasse es nicht zu, dass jemand mein Geld kassiert und gleichzeitig gegen mich demonstriert. Wenn sie sich mit diesem Nielson und seinen Aufwieglern zusammentun wollen, dann bitte. Aber nicht während meiner Arbeitszeit und auf meine Kosten.« Er war deutlich lauter geworden.
    »Sie hätten ihn fast umgebracht.«
    »Aber eben nur fast, außerdem hat man mir berichtet, dass er sich erholen wird.« Er drückte die Zigarette aus. »Ehrlich gesagt, ich hätte nicht gedacht, dass Clark Daly den Mumm aufbringt, eine

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