Weißglut
erzählt und mich hergeschickt, dir auszurichten, du sollst dich endlich wieder nach Hause scheren und ihren Mann in Frieden lassen.«
»Sie denkt wie eine eifersüchtige Ehefrau. Ich habe keine romantischen Pläne mit Clark. Ich habe nur versucht, ihm zu helfen.«
»Du warst wirklich eine tolle Hilfe. Seine Frau meinte, du wärst wie eine Krankheit, die er sich vor langer Zeit eingefangen hat und nie wieder abschütteln konnte.«
Aus Luce Dalys Blickwinkel stand sie wahrscheinlich wirklich für eine Krankheit. Es war ein wenig schmeichelhafter Vergleich, und er schmerzte. Doch auch wenn sie sich gern dagegen verwahrt hätte, hinderte sie ihr Stolz daran.
Stattdessen ging sie zum Angriff über. »Weißt du, wer das war?«
»Ich könnte es mir denken.«
»Aber du lässt die Betreffenden nicht verhaften, oder? Weil es Huffs Schläger waren. Und du ihr Anführer bist.«
»Lass dir einen guten Rat geben, Sayre, auch wenn du ihn mit Sicherheit ignorieren wirst. Halt dich von den Streikenden fern. Wenn sich das mit Clark herumspricht, wird es die Gemüter zusätzlich erhitzen. Es wird so oder so zum Kampf kommen, und dann könntest du zwischen die Fronten geraten.« Er sah zur Tür. »Wenigstens hängst du inzwischen die Türkette ein.«
»Nach dem Erlebnis heute früh werde ich es nie wieder vergessen.«
Er kam langsam auf sie zu. »Hat er dir was angetan, Sayre?«
»Ich habe euch doch gesagt …«
»Ich weiß, was du gesagt hast. Aber ich weiß auch, dass du nicht alles gesagt hast. Hat er dich angefasst?«
Sie schüttelte den Kopf, aber zu ihrem Kummer traten ihr Tränen in die Augen. »Nicht besonders hart.«
»Was soll das heißen?«
»Er … er hat ein paar gemeine Bemerkungen gemacht, aber er hat sie nicht wahr gemacht.«
Er wollte sie berühren, doch sie wehrte ihn mit einem ausgestreckten Arm und einem Kopfschütteln ab. »Es geht schon. Du solltest jetzt fahren.«
»Na gut.« Er nickte angespannt. »Ich wollte dir nur das mit Daly berichten und dir den Wunsch seiner Frau überbringen, dass du dich von ihm fernhalten sollst. Aber eine Frage muss ich dir noch stellen, Sayre. Warum mischst du dich überhaupt ein?«
»Das habe ich dir gestern Abend erklärt.«
»Weil dir dein Gewissen keine Ruhe lässt, nachdem du Dannys Anrufe nicht angenommen hast. Wegen der ungeklärten Umstände von Iversons Tod. Um die Arbeitsbedingungen in der Gießerei zu verbessern. Ich weiß schon, was du gesagt hast.«
»Und?«, fragte sie gepresst.
»Ist das wirklich der wahre Grund? Ich glaube das nicht. Für alles, was du machst und tust, gibt es in Wahrheit nur einen einzigen Beweggrund.« Er zog die Tür auf und trat auf den Außengang. Dann drehte er sich wieder um und sagte: »Huff.«
»Sayre? Sind Sie allein? Mein Gott, Mädchen, was soll das, so allein durch die stockdunkle Nacht zu fahren?«
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht aufgeweckt, Selma.«
Sie winkte Sayre ins Haus. »Und wenn Ihnen dieser weiße Widerling Watkins gefolgt ist?«
»Ich nehme an, der ist inzwischen irgendwo tief in Texas und auf direktem Weg nach Mexiko. Ist Chris zu Hause?«
»Er ist nach dem Abendessen weggefahren und noch nicht zurück. Soll ich versuchen, ob ich ihn auf dem Handy erreichen kann?«
»Eigentlich wollte ich vor allem Huff sprechen. Ist er noch auf?«
»Er ist in seinem Zimmer, aber ich habe ihn oben herumgehen gehört. Ich nehme nicht an, dass er schon schläft.«
»Wie geht es ihm? Hat er sich wieder erholt?«
»Ich kann nicht erkennen, dass er irgendwie anders wäre als vor dem Herzinfarkt. Aber ich sorge dafür, dass er seine Blutdruckmedikamente nimmt. Seit Danny von uns gegangen ist, ist so viel passiert, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn ihm die Adern aus dem Hals gesprungen wären.«
Sayre tätschelte ihre Hand. »Sie haben sich immer gut um uns gekümmert, Selma, und ich werde Ihnen dafür ewig dankbar sein. Gehen Sie wieder in Ihr Zimmer. Ich schließe ab, wenn ich rausgehe.«
Die Pantoffeln der Haushälterin klappten leise über den Dielenboden, während sie über den Flur in ihr Apartment hinter der Küche schlappte.
Sayre hatte sich Becks Worte zu Herzen genommen, sich hastig angezogen und war dann so schnell wie möglich hierhergefahren. Aber jetzt zweifelte sie an ihrer spontanen Entscheidung. Sie wünschte, sie hätte Selma gebeten, Huff aus seinem Zimmer herunterzuholen. Dies war nicht mehr ihr Zuhause, ihr Heim. Wenn sie so wie jetzt in tiefster Nacht die Treppe hochschlich, kam sie
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