Weißglut
sich daran die Finger verbrennen.
Denk lieber nicht daran, sie zu berühren. Obwohl es sinnlos war, sich das einzureden. Seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, konnte er kaum an etwas anderes denken.
Als er am Tag zuvor auf dem Friedhof Huffs Tochter zum ersten Mal gegenübergestanden hatte, hatte er seinen Schock kaum verhehlen können. Natürlich hatte er Bilder von ihr gesehen, aber die waren nur ein blasser Abklatsch der Wirklichkeit. In Fleisch und Blut war sie von einer atemberaubenden Präsenz, die sich in einem zweidimensionalen Bild unmöglich einfangen ließ.
Das soll Chris’ jüngere Schwester sein, von der ich so viele wilde Geschichten gehört habe, hatte er gedacht. Dies soll die Femme fatale von Destiny sein, die Lolita, die kleine Schwester mit der bösen Zunge und dem berüchtigten Hitzkopf?
Er hatte erwartet, sie laut und vulgär vorzufinden. Er hatte eine aufgetakelte Kokotte mit üppiger Figur erwartet, keine stilsichere Modekönigin mit makellosem Geschmack. Ihre dezente Eleganz wirkte sexy und verlockend.
Man hatte sie ihm als Brandstifterin beschrieben, als verwöhntes Gör, als Nervensäge und giftige Emanze. All das konnte sie mit Sicherheit sein. Aber Chris hatte zu erwähnen vergessen, dass seine Schwester auch ein betörend rätselhaftes Wesen war. Weil sie auch eine heimliche Leidenschaft ausstrahlte, eine unergründete Sinnlichkeit, die tief unter der arroganten Oberfläche lag und gar nicht zu ihrer gediegenen Kleidung und der kühlen Herablassung passte, die sie ausstrahlte.
Natürlich hatte Chris als ihr Bruder all das nicht bemerkt und schon gar nicht Sayres verborgene erotische Seiten. Beck nahm an, dass sie auf diese Art von Kurzsichtigkeit baute. Sie wollte nicht, dass jemand hinter die schroffe Fassade blickte, die sie aufgesetzt hatte, um ihr wahres Ich zu schützen.
Aber Beck hatte hinter ihre Maske gesehen. Er hatte ein paar kurze Blicke darauf erhascht, wie sie reagieren würde, wenn sich ihre so oft erwähnte Wildheit durchsetzte, und bei jedem Blick hatte er mehr Feuer gefangen. Schon bei dem Gedanken daran hatte sein Bauch vorfreudig zu kribbeln begonnen, und seine Haut hatte sich angespannt, so musste er sich bemühen, seine Aufregung zu verbergen. Er hatte beobachtet, wie sie verdattert die Lippen geöffnet hatte, als er ihre Haare unter den Schutzhelm gestopft und dabei eine freche Bemerkung gemacht hatte. Er hatte sich vorgestellt, wie er, nur so probehalber, zärtlich auf ihre Unterlippe beißen würde. Und sofort waren seine Fantasien weit über diese erste Berührung hinausgegangen. Er hatte sich ausgemalt, wie es wäre, diese tief liegende Sinnlichkeit zu erschließen. Hätte er das nicht getan, wäre sein Leben jetzt viel einfacher gewesen.
Sie ignorierte ihn weiterhin, während er zum Krankenhaus raste, was ihn unglaublich ärgerte. Eigentlich war es ihm egal, wie sie reagierte, Hauptsache, sie tat nicht mehr so, als wäre er nicht vorhanden. »Sitzen Sie bequem?«
Sie sah zu ihm herüber. »Wie bitte?«
»Die Klimaanlage, Ist sie zu stark? Zu schwach?«
»Sie ist okay.«
»Kann sein, dass ein paar von Fritos Haaren auf dem Polster kleben und an Ihren Sachen hängen bleiben. Ich möchte mich dafür entschuldigen. Er fährt gern …«
»Wieso wurde Huff nicht mit dem Helikopter in ein Krankenhaus nach New Orleans geflogen, wo es ein Herzzentrum gibt, wenn der Herzinfarkt wirklich so schwer war, dass er seine Kinder ein letztes Mal sehen will?«
Es störte ihn nicht, dass sie ihm ins Wort fiel. Wenigstens redete sie wieder mit ihm. »Ich nehme an, das könnte noch passieren, sobald feststeht, wie schwer der Infarkt wirklich war.«
»Hat er schon früher Anzeichen von Herzbeschwerden gezeigt?«
»Bluthochdruck. Eigentlich sollte er Blutdrucksenker nehmen, aber ihn stören die Nebenwirkungen. Er raucht ununterbrochen, man könnte fast meinen, nur zum Trotz gegen die vielen Warnungen, die davor ausgesprochen werden. Sein sportlicher Ehrgeiz beschränkt sich aufs Schaukelstuhlschaukeln. Er trinkt seinen Café au lait mit Kaffeesahne. Er hat Selma gedroht, sie zu feuern, falls er jemals wieder fettreduzierten Speck auf seinem Teller fände. Wahrscheinlich hat er es auf einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall angelegt.«
»Glauben Sie, dass Dannys Tod dazu beigetragen hat?«
»Ganz bestimmt. Einen Sohn zu verlieren, noch dazu unter diesen Umständen und mit diesen Folgen, war bestimmt ein mörderischer Stress.«
»Was für Folgen?«, erkundigte
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