Weißglut
miterleben musste, wie er starb.«
»Da bin ich auch froh. Keine Mutter sollte ihr Kind beerdigen müssen.«
Seine Augen wurden schmal. »Wahrscheinlich glaubst du mir nicht, aber ich trauere um Danny. Ehrlich.«
»Wem willst du was vormachen, Huff? Dir oder mir?«
»Okay, dann glaub mir eben nicht. Aber ich hatte wirklich viel Aufregung. Erst das mit Danny. Und jetzt steht Chris unter Verdacht.«
»Chris … was? Wie meinst du das?«
»Ms. Hoyle?«
Es war die Krankenschwester, die sie ermahnte, den Besuch kurz zu halten. Sie nickte, ohne den Namen zu berichtigen.
»Scheiß auf sie«, sagte Huff, nachdem sich die Schwester zurückgezogen hatte. »Sie würde es nicht wagen, dich rauszuschmeißen.«
Traurigerweise konnte Sayre es kaum erwarten, aus dem Zimmer zu kommen. »Du wirst dich wieder erholen, Huff. Ich glaube, nicht mal der Teufel will dich haben.«
Ein Mundwinkel verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Wahrscheinlich fürchtet er die Konkurrenz.«
»Der Teufel kann dir nicht das Wasser reichen.«
»Ich glaube, das meinst du wirklich ernst.«
»Selbstverständlich.«
»Mächtig harte Worte für einen Mann, der vor ein paar Stunden fast gestorben wäre. Du hegst diesen Groll seit Jahren. Meinst du nicht, es wird langsam Zeit, dass du aufhörst, so verflucht wütend auf mich zu sein?«
»Ich bin nicht wütend auf dich, Huff. Wut ist ein viel zu starkes Gefühl. Ich empfinde überhaupt nichts für dich. Gar nichts.«
»Ach, wirklich?«
»Ja, wirklich.«
»Und warum bist du dann angelaufen gekommen, um deinen alten Daddy zu sehen, bevor er abkratzt?«
»Warum wolltest du mich denn sehen?«
Er grinste verschlagen und lachte dann laut auf. »Um zu beweisen, dass du angelaufen kommen würdest. Und schau an, Sayre. Da bist du schon.«
Kapitel 13
»Worüber reden die beiden bloß?«
Beck sah Chris an, zuckte mit den Achseln und blätterte weiter in dem veralteten Society-Magazin. »Was haben die beiden eigentlich für ein Problem?«
»Das hat angefangen, als Sayre Teenager war. Da war sie verknallt in Clark Daly.«
Beck sah ihn ungläubig an.
»Ja, genau den«, bestätigte Chris.
Beck kannte Clark Daly aus der Gießerei. Er war schon mehrfach von seinem Vorarbeiter heimgeschickt worden, weil er betrunken zur Arbeit erschienen war. Man hatte ihn sogar mit einem Whiskyflachmann in der Vesperbox erwischt. Dass Sayre mit ihm zusammen gewesen war, hätte er nie für möglich gehalten.
»Anfangs hat Huff ihre kleine Romanze geduldet«, fuhr Chris fort. »Da war sie noch harmlos. Aber als es schien, als würde aus der Kinderei was Ernstes, machte er der Sache ein Ende.«
»Hat er schon damals getrunken?«
»Höchstens ab und zu ein heimliches Bier. Er war der beste Sportler an der Schule und unser Schulsprecher.«
»Wo lag dann das Problem?«
»Die Einzelheiten kenne ich nicht. Damals war ich schon an der Uni. Ich interessierte mich nicht besonders für Sayres Affären oder ihre jeweiligen Verehrer. Ich weiß nur, dass Huff nicht allzu scharf darauf war, Clark Daly zum Schwiegersohn zu bekommen. Sobald die beiden die High School abgeschlossen hatten, schritt er ein und beendete die Romanze.«
»Wie hat Sayre damals reagiert?«
Chris grinste. »Was glaubst du denn? Mit einem Feuerwerk von den Ausmaßen eines Vulkanausbruchs. Hat man mir wenigstens erzählt. Als sich Huff von ihren Wutausbrüchen nicht beeindrucken ließ, versank sie in tiefe Depression, magerte ab und schlich wie ein Gespenst durchs Haus. Wie heißt diese Romanfigur, die immer in ihrem vergammelten Nachthemd durchs Haus schleicht?«
»Miss Havisham?«
»Genau die. Ich kann mich noch erinnern, dass ich Sayre kaum wiedererkannte, als ich damals heimkam. Sie sah zum Fürchten aus. Sie ging nicht aufs College, sie arbeitete nichts, sie unternahm nichts, sie ging nie aus dem Haus. Als ich Selma nach ihr fragte, fing sie an zu weinen und meinte, Sayre hätte sich in ein armes, kleines Spukgespenst verwandelt, ›der Herr sei ihrer Seele gnädig‹. Danny erzählte, sie habe monatelang kein Wort mit Huff gesprochen und es vermieden, mit ihm in einem Raum zu sein.«
Chris verstummte kurz und nahm einen Schluck aus seiner Getränkedose. Beck hätte zu gern den Rest der Geschichte erfahren, bedrängte Chris aber nicht. Schließlich wollte er nicht über Gebühr interessiert wirken. Zum Glück erzählte Chris weiter, ohne dass Beck ihn auffordern musste.
»Monatelang ging das so. Schließlich hatte Huff die Nase voll. Er sagte ihr,
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