Weißglut
nicht, dass es verfällt, darum war der alte Mitchell auch für den Erhalt dieses Hauses verantwortlich. Manchmal nahm er mich mit, wenn er herkam, um sauber zu machen. Während er draußen arbeitete, spielte ich in den leeren Zimmern Hausfrau. Das hier war das erste Haus, das ich eingerichtet habe. Natürlich nur in meiner Fantasie.«
»Ich bezweifle, dass meine Inneneinrichtung deinen Ansprüchen genügen würde.«
Sie lachte. »Sei dir da nicht so sicher. Denn ich meine mich zu erinnern, dass ich in meinen Träumen einen Kristalllüster an einer Quastenkordel von der Decke hängen sah, dazu Orientteppiche und grelle Seidenbehänge an den Wänden. Der Stil war eine Mischung zwischen Sultanszelt und französischem Palast.«
»Oder einem Bordell.«
»Ich wusste nicht, was das war, aber vom Gesamtbild her könnte es zutreffen.« Sie lächelte ihn an, ehe sie den Blick wieder auf die Zypressenreihe und den Wasserlauf dahinter richtete. »Einmal fuhren der alte Mitchell und ich auf dem Bayou hierher. Er stakte uns in einer Piroge her und ermahnte mich, ganz still zu sitzen, sonst würden wir kentern, und die Alligatoren würden uns auffressen. Er erzählte mir, er wüsste von Alligatoren, die direkt unter uns hausten und so groß wären, dass sie mich auf einen Haps verschlingen könnten, ohne auch nur zu rülpsen. Ich saß still wie ein Mäuschen im Boot und bangte um mein Leben. Das war ein Abenteuer.« Sie lächelte versonnen. »Ich wusste nicht, dass du inzwischen hier wohnst.«
»Vergällt dir das die schönen Erinnerungen an diesen Fleck? So wie zuletzt, als ich auf der Schaukel gesessen habe, die der alte Mitchell für dich gemacht hat?«
»Meine Kindheitserinnerungen wurden mir schon lange vor unserer ersten Begegnung vergällt.«
Er nahm das kommentarlos hin und sagte stattdessen: »Als mir Huff einen Job anbot, bot er mir gleichzeitig an, hier zu wohnen. Eigentlich sollte es nur vorübergehend sein, bis ich etwas Passendes gefunden hätte. Aber eines Tages fragte er mich, warum ich jemand anderem Miete zahlen wollte, wenn ich hier umsonst wohnen könnte. Ich stellte mir dieselbe Frage, kam zu der logischen Antwort und lebe seither hier.«
»Sie haben dich mit Leib und Seele gekauft, nicht wahr?«
Damit traf sie seine empfindliche Stelle. Er leerte seine Bierflasche und stellte sie energisch auf dem Seitentisch ab. »Wieso bist du hier?«
»Ich habe von dem Unfall gestern Nacht im Werk gehört. Der ganze Ort spricht darüber.«
»Und was reden die Leute?«
»Dass es ein ziemlich schlimmer Unfall war und dass Hoyle Enterprises daran schuld ist.«
»Ich habe nichts anderes erwartet.«
»Und stimmt es?«
»Der Arm des Mannes konnte nicht gerettet werden. Er wurde heute Nachmittag amputiert. Ich würde das als schlimm bezeichnen.«
Er ließ die Frage unbeantwortet, ob Hoyle Enterprises schuld an dem Unfall war, und sie glaubte, dass er dies nicht aus Nachlässigkeit tat. »Ich habe gehört, du bist ins Krankenhaus gefahren, nachdem man ihn dorthin gebracht hatte.«
»Du hast zuverlässige Quellen.«
»Und dass die Frau des Verunglückten deine Hilfe zurückgewiesen hat.«
»Hör auf mit diesem Affentanz, Sayre. Du hast gehört, dass sie mir ins Gesicht gespuckt hat. Bist du deswegen gekommen? Aus Schadenfreude?«
»Nein.«
»Oder um mir die gefährlichen Arbeitsbedingungen im Werk vorzuhalten?«
»Über die weißt du selbst Bescheid, oder?«
»Das Förderband, an dem Billy Paulik sich verletzt hat, wurde abgeschaltet.«
»Weil du es angeordnet hast. Auch das habe ich gehört.«
Er zuckte verdrossen mit den Achseln.
»Warum nicht George Robson?«
»Weil er …«
»Weil er nur eine Marionette ist, die nichts ohne Huffs ausdrücklichen Befehl unternimmt.«
»Und Huff war im Krankenhaus, wo er sich von einem Herzinfarkt erholt, oder hast du das vergessen?«
»Wie haben er und Chris reagiert, als sie hörten, was du getan hast?«
»Sie haben meine Entscheidung gebilligt.«
»Du brauchst sie nicht zu verteidigen. Beck. Glaubst du, es wäre Zufall, dass George Robson für die Sicherheit im Werk verantwortlich ist? Huff will niemanden mit einem Gewissen oder auch nur etwas Verstand auf diesem Posten. George Robson ist nur ein Popanz, um die Aufsichtsbehörde zu besänftigen. Hat er überhaupt eine eigene Abteilung?«
»Eine kleine.«
»Die aus ihm und seiner Sekretärin besteht. Das sind alle. Er hat keine ausgebildeten Mitarbeiter, die regelmäßig nach dem Rechten sehen, und er selbst
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