Weißglut
tut es ganz bestimmt nicht. Hat er ein Budget? Nein. Autorität? Null.«
»Er hat das Lockout-Tagout-System eingeführt.«
Sayre kannte den Begriff. Er bedeutete, dass eine Maschine, die nicht ordnungsgemäß funktionierte, heruntergefahren wurde und nicht wieder angefahren werden konnte, weder beabsichtigt noch unbeabsichtigt, bis ein Aufseher mit einem Schlüssel sie für einwandfrei und sicher erklärt hatte. »Er hat es eingeführt, um eine saftige Strafzahlung zu umgehen. Wird das System wirklich umgesetzt?«
Er sah sie schweigend an.
»Das habe ich mir gedacht. Das Einzige, was der sogenannte Sicherheitsdirektor von Hoyle Enterprises tut, ist, anderen die Luft zum Atmen zu nehmen.«
»Du solltest dich mit Charles Nielson zusammentun.«
»Mit wem?«
»Vergiss es.« Er schubste die Schaukel verbissen mit dem nackten Fuß an. »Du bist also hier, um mit mir über den Unfall zu reden?«
»Nein. Ich bin hier, um dich etwas zu fragen, was mir keine Ruhe lässt.«
»Auf dem Bauch.«
»Wie bitte?«
»Du hast mich gefragt, wie ich nachts schlafen kann. Ich bin nie dazu gekommen, dir zu antworten. Normalerweise schlafe ich auf dem Bauch. Und übrigens steht die Einladung noch, falls du dich je mit eigenen Augen davon überzeugen willst.«
Wutentbrannt schoss sie aus der Schaukel hoch. Erst als sie am Verandageländer stand, drehte sie sich zu ihm um. »Ich glaube, Chris könnte Danny umgebracht haben. Mal sehen, ob du darüber auch dumme Witze reißt.«
Er stand ebenfalls auf und war in zwei langen Schritten neben ihr. »Das würde dich freuen, wie? Es würde deinen Hass auf Chris und Huff legitimieren, und du könntest endlich Vergeltung bekommen.«
»Es geht mir nicht um Vergeltung.«
»Ach nein?«
»Nein.«
»Worum dann, Sayre?«
»Um Gerechtigkeit«, erwiderte sie hitzig. »Und ich würde meinen – hoffen –, dass es dir als ehemaligem Staatsanwalt ebenfalls darum gehen sollte. Zu blöd, dass du mietfrei in ihrem Haus wohnst.«
Er stieß einen Unmutslaut aus. »Was vollkommen irrelevant ist. So oder so kann ich nicht mit dir darüber sprechen. Ich bin ihr Anwalt.«
»Du bist kein Strafverteidiger.«
»Chris braucht keinen.«
»Bist du sicher?«
Ihre Blicke trafen und verbanden sich. Er wandte als Erster das Gesicht ab. Mit einer Hand fuhr er sich durch die Haare, mit der anderen deutete er auffordernd auf die Schaukel. Als sie stehen blieb, ging er wieder zurück und setzte sich. »Okay, Sayre, dann reden wir. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich antworten werde, aber ich werde dir zuzuhören.«
Sie wollte eine Antwort auf die Frage, die sie seit geraumer Zeit quälte, aber er war durch das Anwaltsgeheimnis gebunden und sie durch ihr Versprechen, Jessica DeBlance nicht zu verraten. Sie sortierte kurz ihre Gedanken und fragte dann: »Hatten Danny und Chris in letzter Zeit Streit?«
»Streit? Du warst wirklich lange weg. Die beiden haben über alles und jedes gestritten. Von den Stundenlöhnen für die neu eingestellten Arbeiter über das Footballteam der LSU bis hin zu den Vorzügen von Coca-Cola oder Pepsi.«
»Ich spreche nicht von Kabbeleien. Ich meine einen immer wiederkehrenden Streit über etwas von grundlegender Bedeutung.«
»Dannys Religion«, antwortete er ohne zu zögern. »Darüber hatten sich Chris und Danny noch am Tag vor Dannys Tod im Country Club gestritten. Huff hatte Chris losgeschickt, mit seinem Bruder zu sprechen und zu sehen, ob er ihm den Kopf zurechtsetzen konnte. Chris hat wenig Sinn für Pietät. Danny reagierte empört. Damit verrate ich kein Geheimnis, denn mehrere Leute im Country Club waren Zeuge ihres Streits und haben Deputy Scott davon erzählt.«
»Hat einer dieser Zeugen genau gehört, was die beiden gesagt haben?«
»Nicht soweit ich weiß.«
»Hat Chris dir erzählt, was sie miteinander geredet haben? Streich das.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, das dürftest du mir nicht erzählen.«
»Nein, dürfte ich nicht. Aber ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass er mir nichts verraten hat. Er hat zugegeben, dass sie über Dannys neu gefundenen Glauben stritten und dass er dabei ein paar Bemerkungen gemacht hat, die Danny tief getroffen haben. Mehr weiß ich auch nicht.«
Frito kam herangetrabt und drückte seinen großen Kopf gegen ihren Schenkel. Sie bückte sich und streichelte seinen Rücken.
»Ich bin eifersüchtig«, sagte Beck.
»Er scheint mich wirklich zu mögen.«
»Nicht auf dich. Ich bin eifersüchtig auf Frito.« Seine Stimme
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