Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
»Warum? Warum verlassen mich alle?«
In diesem Augenblick spürte ich etwas Warmes an meiner Brust. Und als ich herabschaute, sah ich ein schwaches bläuliches Licht.
Meine Halskette glühte.
In dem Moment leuchteten in der Ferne Blitze auf, und der Wind wurde stärker. Die Stimmen um mich herum waren verstummt wie aus Respekt vor der Toten. Ich berührte Larkins Gesicht, schloss ihre Augen und presste meine Lippen auf ihre Stirn.
»Ich werde dich nicht vergessen«, sagte ich. »Ich verspreche es.«
Dann schrieb ich mit dem Finger ihren Namen in den Sand.
Larkin Ramsey
Freundin und Schwester
Ich pflückte eine kleine schwarze Distel von einem Felsen und legte sie ihr in die Hände. Dann strich ich den Sand von ihrem Gesicht und schaute den Strand entlang. Es gab so viele zerrüttete Seelen. Was war ihnen allen zugestoßen?
Jeder hier um mich herum konnte Patrick sein. Ich musste ihn finden, aber wie? Ich konnte unmöglich jedes einzelne Gesicht prüfen. Und selbst wenn, würde ich es nicht ertragen, ihn in einem so schrecklichen Zustand zu sehen wie Larkin. Ich wusste nicht, ob ich es verkraften würde, wenn ich an einem Ort wie diesem von ihm Abschied nehmen müsste. Ich sah zum Himmel hoch und stellte mir vor, wie Larkin in irgendeine andere Galaxie davonflog. Strahlend. Vielleicht wurde sie in diesem Augenblick aber auch als jemand anderer wiedergeboren. Jemand mit einem ganz neuen Leben und einem ganz neuen Start.
Schließlich war das offenbar möglich.
Ich schaute zu den Sternen hinauf und fragte mich, ob sie mich jetzt sehen konnte. Ich hoffte, dass sie glücklich sein würde, wo auch immer sie jetzt war. Und ich hoffte, dass sie frei war.
Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Ich drehte mich um und blickte angestrengt zum Westende der Insel hinüber, wo eine mächtige Felswand zum Meer hinabfiel.
»Bist du es?«, flüsterte ich. »Bist du es wirklich?«
Fällst du, falle ich auch – erinnerst du dich?
Dort oben, am äußersten Rand der Welt, das Gesicht zum Himmel erhoben, stand Patrick.
43
we belong to the light,
we belong to the thunder
Ich rannte. Ich rannte, so schnell ich konnte, durch den Regen und die Wellen und einen Küstenstreifen entlang, der übersät war mit lebenden Toten. Wo immer ich meinen Fuß hinsetzte, versuchten sich windende Körper, meine Beine zu packen und mich zu ihnen herabzuziehen. Ich fühlte, wie ich erstickte in ihren offenen Mündern, den durchsichtigen Gliedern und einer Million vergessener Träume und Erinnerungen.
Und ich wusste, wenn ich nicht schnell genug rannte, würden es eine Million plus eine sein.
Ich war nicht schnell genug, um mich direkt zu ihm zu beamen, und die Luft war seltsam auf der Insel – irgendwie schwer und abgestanden, als würden hier andere Regeln für die Elemente gelten. Also rannte ich in den Wald und kämpfte mich durch das Unterholz, bis ich zu einer Straße kam. Die Fahrbahn war fast vollständig von Blättern bedeckt, und die Bäume rechts und links von der Straße waren zu einer Art von Baldachin zusammengewachsen, der kein bisschen Mondlicht durchließ.
Aber immerhin war es eine Straße.
Ich holte den letzten Rest Kraft aus mir heraus und raste die Serpentinen hinauf auf den einzigen Berg der Insel. Endlich erreichte ich einen offenen Aussichtspunkt, der einen atemberaubenden Blick auf die nächtliche Pazifikküste bot.
Und da stand er, den Blick aufs Meer hinaus gerichtet.
Sein Rücken war nackt, und ich runzelte besorgt die Stirn, als ich sah, wie dünn er geworden war und wie der Regen ihn im wahrsten Sinne des Wortes bis auf die Knochen durchnässte. Als wäre das Licht in ihm bereits fast vollkommen erloschen. Seine Worte hallten in meinem Kopf wider.
Weißt du denn nicht, dass ich dich liebe?
Doch. Weil ich ihn auch liebte.
Ich näherte mich ihm langsam von hinten, ohne dass er mich bemerkte. Aber ich wollte ihn nicht erschrecken.
»Patrick?«
Er konnte mich nicht hören, der Sturm trug meine Worte davon. Also streckte ich den Arm nach ihm aus, während heftige Windböen mich beinahe umwarfen und der Regen mir ins Gesicht peitschte. Als ich mit den Fingerspitzen schließlich seinen Arm erreichte, spürte ich plötzlich eine unglaubliche Wärme.
Ich sah, wie meine Hand in demselben blassen Blau zu leuchten begann wie meine Kette, als wären meine Adern voller Sternenstaub. Und ich spürte, wie sich Patricks Körper unter meiner Berührung anspannte.
»Ich bin’s«, sagte ich. »Ich
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