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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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Um diese Zeit hätte es in diesem Teil des Sudan nicht regnen dürfen, aber es regnete heftig fast den ganzen Tag lang. Wir tranken die Regentropfen, und wir sammelten das Wasser in allen Gefäßen, die wir noch besaßen. Doch der Regen, der anfangs ein Segen für uns war, wurde rasch zum Fluch. Monatelange hatten wir um Feuchtigkeit gefleht, um nasse Erde zwischen den Zehen, und jetzt wünschten wir uns bloß noch trockenen festen Boden. Als wir Gumuro erreichten, gab es praktisch kein Stück Land, das nicht völlig aufgeweicht und zum Sumpf geworden war. Aber wir sahen einen etwas höher gelegenen Flecken, und dort führte Dut uns hin.
    – Panzer!
    Kur sah sie als Erster. Wir hielten an und duckten uns ins Gras. Ich wusste nicht, ob die SPLA eigene Panzer hatte, deshalb dachte ich zuerst, sie gehörten der Regierungsarmee und seien hier, um uns zu töten.
    – Das hier müsste SPLA-Gebiet sein, sagte Dut und ging auf das Dorf zu.
    Mitten im Dorf standen drei Armeelastwagen. Es war fast völlig niedergebrannt, aber wir waren froh, als wir drei SPLA-Soldaten aus dem Wrack eines Busses steigen sahen. Dut ging vorsichtig auf sie zu.
    – Willkommen, Jungs!, sagte einer der Soldaten zu uns. Er trug eine Uniformhose und Stiefel, aber kein Hemd. Wir lächelten ihn an und waren sicher, dass wir jetzt zu essen bekämen und versorgt werden würden.
    – Und jetzt geht bitte, sagte er. – Ihr müsst hier weg.
    Dut trat vor, beteuerte, dass wir auf ihrer Seite waren, dass wir etwas zu essen brauchten und uns auf trockenem Boden ausruhen mussten, bis der Regen nachließ.
    – Wir haben nichts, sagte eine müde Stimme. Es war ein anderer Soldat, der nur mit Shorts bekleidet war. Er sah ganz ähnlich aus wie wir, unterernährt und besiegt.
    – Ist das hier SPLA-Land?, fragte Dut.
    – Ich glaube ja, sagte der zweite Soldat. – Wir hören nichts mehr von denen. Die lassen uns hier draußen sterben. Das ist ein Krieg, der von Hohlköpfen geführt wird.
    Die elf Soldaten, die in Gumuro warteten, gehörten zu einem anderen verlorenen Bataillon, das aber keinen Spitznamen hatte wie »Die Faust«. Diese Männer waren ohne Vorräte in Gumuro zurückgelassen worden und ohne eine Möglichkeit, mit ihren Kommandeuren in Rumbek oder sonst wo zu kommunizieren. Dut erklärte, er wolle den Soldaten keine Schwierigkeiten machen, aber er sei mit über dreihundert Jungen hier, die nicht die ganze Nacht durchmarschieren konnten und sich ausruhen wollten.
    – Ehrlich gesagt, das ist mir völlig egal, sagte der zweite Soldat. – Aber nehmt euch bloß nichts. Wir haben nichts, was ihr euch nehmen könnt. Ansonsten, macht, was ihr wollt.
    So wurde Gumuro unser Ruheplatz für den Tag, und wir verteilten uns unter den Lastwagen und im Schatten des Panzers, überall, wo wir ein wenig vor dem Regen geschützt waren. Es dauerte nicht lange, bis einige Jungen nachsehen wollten, ob es irgendwo etwas zu essen gab, vielleicht auch Fische in den Sümpfen. Der erste Soldat, der Tito hieß, beschwor sie, sich nicht von der Stelle zu rühren.
    – Da draußen sind Minen, Jungs. Ihr könnt nicht einfach in der Gegend rumlaufen. Die sudanesische Armee hat hier alles vermint.
    Die Botschaft fand kein Gehör bei den Jungen, also schaltete Dut sich ein.
    – Weiß hier jeder, was eine Mine mit einem Menschen anrichtet?
    Alle nickten, aber Dut war nicht überzeugt. Daher entschied er sich für eine Demonstration. Er kniete sich auf den Boden und bat einen Freiwilligen, ihm auf die Hand zu treten. Als der Junge das tat, machte Dut ein lautes Explosionsgeräusch, und er nahm den Fuß des Jungen und warf den Jungen auf den Rücken. Er schlug mit einem Klatschen auf. Der Junge, dem vor Wut und Schmerz Tränen in die Augen schossen, rappelte sich auf und ging zu seinem Platz unter einem Bus zurück.
    Es dauerte nicht lange, bis einige Jungen ungehorsam wurden. Dutzende von uns gingen in alle Richtungen. Viele waren hungrig und fest entschlossen, etwas zu essen zu finden. Drei Jungen gingen ins Gras. Ich fragte sie, wohin sie wollten, weil ich hoffte, sie würden fischen gehen und ich könne mich ihnen anschließen. Sie antworteten mir nicht und gingen den Hang hinunter. Ich saß unter einem Lastwagen, den Kopf zwischen den Knien, und dachte an William K, an die Aasgeier, die sich womöglich für ihn interessierten. Ich dachte an Amath und an meine Mutter und an ihr gelbes Kleid. Ich wusste, dass ich bald sterben würde, und hoffte, dass sie vielleicht auch tot war und

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