Weit Gegangen: Roman (German Edition)
wenn ich kein Talent fürs Kochen oder die anderen Aufgaben an den Tag legte. Tabitha dagegen war überhaupt nicht an Hauswirtschaft interessiert, ja nicht einmal daran, den Kurs erfolgreich zu absolvieren. Sie fehlte oft, und wenn sie da war, schnaubte sie jedes Mal geräuschvoll, wenn die Lehrerin, eine Sudanesin, die wir Ms. Löffel nannten, uns davon überzeugen wollte, wie nützlich uns die Hauswirtschaftslektionen im Leben noch sein würden. Ms. Löffel schätzte weder Tabithas Schnauben noch Tabithas verächtliche Seufzer noch, dass Tabitha an manchen Tagen in ihren Taschenbuchromanen las, während Ms. Löffel vorführte, wie man Eier kochte. Ms. Löffel schätzte Tabitha Duany Aker überhaupt nicht.
Aber die Jungs und die jungen Männer schätzten sie. Es war unmöglich, es nicht zu tun.
In Kakuma nahmen mehr Mädchen am Unterricht teil als in Pinyudo, aber sie waren noch immer in der Unterzahl, bestenfalls eins zu zehn. Und sie blieben nicht lange. Jedes Jahr wurden einige von der Schule genommen, um zu Hause zu arbeiten und sich darauf vorzubereiten, bald verheiratet zu werden. Mit vierzehn Jahren war jedes Mädchen, das nicht irgendwie entstellt war, fest versprochen und wurde zurück in den Sudan geschickt, um dort die Frau eines Offiziers der SPLA zu werden, der die verlangte Mitgift aufbringen konnte. Und in vielen Fällen gingen sie frohen Herzens, denn Kakuma hatte Mädchen kein gutes Leben zu bieten. Mädchen schufteten sich ab, wurden vergewaltigt, wenn sie das Lager verließen, um Feuerholz zu suchen. Sie hatten keine Macht in Kakuma, sie hatten keine Zukunft.
Aber das hatte Tabitha niemand erklärt. Und wenn, hatte es sie nicht beeindruckt.
Sie lebte zusammen mit ihren drei Brüdern und ihrer Mutter, einer gebildeten Frau, die fest entschlossen war, Tabitha das unter den gegebenen Umständen beste Leben zu ermöglichen. Tabithas Vater war gleich zu Beginn des Krieges getötet worden, und ihre Mutter weigerte sich, zu der Familie ihres Mannes zu ziehen. Im Sudan ist es nicht unüblich, dass der Bruder des Verstorbenen die Frau und die Familie seines Bruders übernimmt, doch Tabithas Mutter wollte nichts davon wissen. Sie verließ ihr Dorf, Yirol, und schlug sich nach Kakuma durch, weil sie wusste, dass ein Leben in Kenia ihren Kindern selbst in einem Flüchtlingslager eine aufgeklärtere Welt bieten konnte.
Ich war froh über den Mut und die Klugheit ihrer Mutter. Ich freute mich jedes Mal, wenn Tabitha sich entschloss, am Hauswirtschaftsunterricht teilzunehmen, jedes Mal, wenn sie die Augen verdrehte, und jedes Mal, wenn sie grinste. Sie war die faszinierendste junge Frau in Kakuma.
Schließlich wurden wir ein Paar oder kamen diesem Status zumindest so nah, wie das Teenagern in Kakuma möglich war, und ich sagte ihr viele Male, dass ich sie liebte. Wenn ich diese Worte sprach, bedeuteten sie nicht das, was sie sehr viel später in Amerika bedeuteten, als ich wusste, dass ich sie so liebte, wie ein Mann eine Frau liebt. In Kakuma waren wir so jung. Wir waren vorsichtig und unschuldig. Selbst in einem Camp gehört es sich nicht für junge Leute, ihre Zuneigung offen zur Schau zu tragen. Wir trafen uns nach der Kirche zu Spaziergängen, wir schlichen uns weg, wenn wir konnten. Wir besuchten sogar zusammen Veranstaltungen im Camp, wir aßen mit Freunden, wir unterhielten uns, während wir für unsere Essensrationen Schlange standen. Ich betrachtete ihr herzförmiges Gesicht, ihre wachen Augen und die rundlichen Wangen, und das bedeutete mir damals schon alles. Aber was war es? Vielleicht war es nichts.
Sie verließ Kakuma vor mir. Das war ungewöhnlich, denn unter den Sudanesen, die in die Vereinigten Staaten umgesiedelt wurden, gab es nur sehr wenige Mädchen und fast keine, die noch Eltern im Camp hatten. Tabitha behauptet, es war reines Glück, aber ich glaube, ihre Mutter hatte das clever eingefädelt. Als die Gerüchte von der Umsiedelung sich bewahrheiteten, reagierte ihre Mutter sehr gewieft. Sie wusste, dass die Vereinigten Staaten an elternlosen Minderjährigen interessiert waren. Wer in Kakuma noch Eltern hatte, würde kaum in Betracht gezogen werden. Sie erlaubte ihren Kindern zu lügen, und sie selbst tauchte unter, zog in einen anderen Teil des Lagers. Tabitha und ihre drei Brüder wurden als Waisen registriert, und weil sie jung waren, jünger als die meisten von uns, wurden sie ausgewählt, gleich unter den Ersten, und durften in den USA sogar zusammenbleiben.
Während ihre
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