Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
roden zu können und zu bewirtschaften. Zu Tausenden wurden indigene Männer, Frauen und vor allem Kinder in Missionsstationen untergebracht. Priester und Nonnen steckten sie in Kleider und zwangen ihnen Lebensstil und Religion der Europäer auf.
Das Garma-Festival gebe ihm Hoffnung, sagt Yunupingu, als wir weitergehen. »Die Jugend ist jedes Jahr mehr interessiert an den alten Werten und Wegen.« Dass aus aller Welt Besucher kommen, um die Kultur der Aborigines kennenzulernen, sei auch sehr erfreulich. Doch was seine Landsleute angeht, scheint sein Optimismus begrenzt. »Ignorante weiße Menschen treiben dieses Land zurück in die Vergangenheit«, klagt er. Von einem »Treaty«, einem Vertrag der Versöhnung und Wiedergutmachung zwischen Ureinwohnern und der Regierung, wie es ihn in vergleichbaren Ländern wie Neuseeland gibt, wagten Aborigines nach wie vor »nur zu träumen«, klagt Yunupingu. Schon die Forderung nach einer offiziellen Entschuldigung der Regierung für die Verbrechen der Vergangenheit wurde von Politikern jahrzehntelang negiert.
Das Garma-Festival sei heute weit mehr als nur ein kultureller Höhepunkt für die lokalen Yolngu, erzählt mir Yunupingu. 3000 Besucher sind in diesem Jahr nach Arnhemland gereist, darunter auch viele Vertreter aus der Wirtschaft. Wie das Beispiel der Agyle-Diamantenmine in Westaustralien zeigt, suchen seit einigen Jahren auch Rohstoffunternehmen den direkten Kontakt zu Ureinwohnern. Ich treffe Christine Charles. Sie vertritt Newmont Mining, eine der größten Goldförder-Firmen auf dem Globus. »Es ist simpel«, erzählt sie mir, »der Großteil der Rohstoffe, die wir fördern, liegt auf Aboriginal-Gebiet. Ohne guten Kontakt verlieren wir den Zugang.« Noch in den achtziger Jahren kümmerte die Rohstoffindustrie das Schicksal der Ureinwohner wenig. Die Firmen sahen die Ausbeutung der reichen Schätze im Boden als ihr Recht, das sie – meist mit Unterstützung oder Duldung durch die Regierung – mit Gewalt durchsetzten. Heilige Stätten der Aborigines fielen dem Bulldozer zum Opfer, Gemeinden wurden von der fremden Kultur überrollt oder in Alkohol ertränkt.
Erst im Jahr 1992 befand ein Gericht, Australien sei vor der Ankunft der Europäer keine »Terra Nullius« – Niemandsland – gewesen, wie die bisherige Rechtsmeinung gelautet hatte. Zur Empörung der konservativen Regierung von Premierminister John Howard, zum Schock der Rohstoffindustrie und der Landwirte hatten Ureinwohner unter bestimmten Voraussetzungen Landrechte – und damit auch Macht. Seither müssen Firmen mit den Aborigines über Landzugang und Lizenzgebühren verhandeln. Der Lohn für Schürfrechte ist nicht immer nur monetär. Firmen verpflichten sich, in den Minen Aborigines auszubilden und anzustellen. Es gibt Unterstützung für Familien und Frauen. Jeder gewinnt: Wegen der harten Bedingungen in den geographisch oft isolierten Minen fehle es chronisch an Nachwuchs, sagt Charles. »Heute werden Arbeitskräfte alle paar Wochen aus einer Stadt eingeflogen. Die Transportkosten sind astronomisch, das Personal wechselt oft. Das schlägt zu Buche.« Aborigines dagegen lebten gerne vor Ort und seien mehr als bereit, sich ausbilden zu lassen, um Arbeit zu erhalten.
»Eines Tages werden wir die Minen betreiben, nicht mehr nur darin arbeiten«, so Yunupingu.
Als ich diese Zeilen schreibe, höre ich vom Tod Yunupingus. Er starb im Alter von 56 Jahren an einem Nierenschaden.
KAPITEL 36
Ich nenne ihn »Rambo«. Er ist das größte Känguru, das ich je gesehen habe. Jeden Morgen, wenn ich aufwache und in meinem Büro das Fenster öffne, steht er da und grinst mich an. Ja, grinst. Für mich ist klar, dass dieses Tier genau weiß: Der Typ kann mir nichts anhaben. Gar nichts. Nicht nur hat Rambo auch Muskeln wie Silvester Stallone, er ist größer als ich mit meinen 186 Zentimetern. Einmal hatte ich versucht, ihn aus unserem Garten zu vertreiben. Ich ging langsam auf ihn zu, doch Rambo kümmerte das überhaupt nicht. Er fraß gemütlich weiter – unseren Salat. Und dann erhob er sich. Seine Armmuskeln spannten sich, als er mich anschaute, wie ein Boxer vor dem Kampf. Etwa fünf Meter stand ich vor ihm. Er beobachtete mich und kaute. Ich schaute ihn an und drehte mich langsam um. Ich hätte keine Chance gegen die messerscharfen Krallen seiner Vorderarme gehabt. Rambo wusste das ganz genau. Selbst Max, der sonst nicht gut auf Kängurus zu sprechen ist, hielt sich zurück.
In Australien mitten in
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