Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Elementen, mit der Natur, vor allem aber gegen sie. Dürreperioden, Überschwemmungen. Er hat eine Rinderfarm, so groß wie halb Belgien. Und doch kommt er kaum über die Runden. Die Preise sind schlecht. Mit seinen 49 Jahren tritt Jack auf der Stelle. Seine Kinder sind im Internat in Adelaide, nur die Grundausbildung, die konnten sie über die School of the Air machen. Fernunterricht übers Internet, früher war es per Funksignal. Jack hat Angst vor den Chinesen, die das Land aufkaufen »und uns irgendwann mal von hier vertreiben werden«. Chronische Frustration über »die in Canberra«, die nicht wüssten, wie das Leben auf dem Land sei. Doch auch Stolz, zu den »echten Australiern zu gehören«, den Pionieren. In fünfter Generation.
Und dann Zone fünf. Greentown und mein Nachbar Mick. Ein Handwerker, mit eigenem Haus und großer Familie, der den Busch liebt und gerne fischen geht. Von der Welt weiß er wenig, außer was er in den Boulevardmedien liest. Und das ist meist bedrohlich. Hier, zwischen Stadt und Land, in »Country Australia«, wie Politiker die Zone zwischen den Vororten der Großstädte und der Isolation des Outback nennen, hier sollten wir die nächsten Jahre verbringen und vielleicht den Rest unseres Lebens.
Doch jetzt gibt’s erst mal ein Bier.
»Cheers«, sagt Mick. Er ist 55 Jahre alt und hat fast kein graues Haar auf dem Kopf. Dafür sind seine Hände voller Farbkleckse. Er ist Flächenmaler, hat gemeinsam mit seinem Kumpel Bob ein Geschäft. »Wollt ihr mal hier wohnen?«, fragt er. »Man weiß nie«, antworte ich. »Schön wäre es schon.« Vorerst sind wir einfach am Wochenende da. »Gut«, sagt Mick, »dann wünsche ich euch viel Glück.«
Mick und Julie wohnen rund 400 Meter unterhalb des Platzes, auf dem wir unseren kleinen Wohnwagen aufgestellt haben, direkt hinter dem Zaun. Sie können ihr Grundstück, ihren Block, wie man hier sagt, nur erreichen, indem sie über die kleine Schotterstraße fahren, die durch unser Grundstück führt. »Dahinter hat Tony seinen Block«, sagt Mick. »Er spinnt ein wenig, der Typ. Er baut riesige Treibhäuser, um Tomaten anzupflanzen. Die will er dann mit Lastwagen über unsere Straße zum Markt bringen.« Tony hat zwar einen eigenen Zufahrtsweg. Schon jetzt aber fährt er durch Micks Grundstück und dann durch unseres, um schneller auf die Hauptstraße zu kommen.
Das Bier schmeckt plötzlich nicht mehr ganz so gut. Wieder zu Hause in Campbelltown, gehe ich die Unterlagen des Anwalts durch. Die Straße endet laut Grundbuch an Micks Zaun, schreibt John. Ich atme auf. So besteht keine Gefahr, dass dieser Tony den Weg durch unser Paradies als Durchfahrtsstraße für seine Lastwagen missbrauchen kann.
Doch die Sache lässt mir keine Ruhe. Auf dem Grundbuchamt sagt mir die nette Dame zwei Tage später, dass die Straße eben doch durch Micks und Julies Grundstück weitergeht, auf Tonys »Block«. »Kein Zweifel?«, frage ich. »Kein Zweifel«, erwidert die Beamtin trocken. Tony hat jedes Recht der Welt, den Weg für seine Lastwagen und für seinen Tomatentransport zu benutzen. Ich bin völlig frustriert. Dauerlärm, Straßenbeleuchtung, Dieselabgase. Ich sehe unser kleines Paradies gefährdet. Ich hatte John doch extra auf diese Straße hingewiesen. Und jetzt das. Ich rufe ihn an. »Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie das gesagt haben«, sagt er. Jetzt ist es zu spät, der Vertrag ist unterzeichnet. Das Land ist gekauft. »Sorry, Kumpel«, sagt John und hängt auf. Seit dieser Erfahrung verlasse ich mich in Australien nicht mehr auf mündliche Zusicherungen. »Immer nur schriftlich« ist auch das Credo eines Kollegen aus Sydney. »Und immer alles selbst auch nachprüfen, wenn’s wichtig ist.« Allzu oft sagen Beamte, Geschäftsleute und eben auch Anwälte einfach nur »Ja«, um einen abzuwimmeln. Denn sie wissen, dass die meisten Australier sich nicht beschweren werden, wenn dann doch etwas schiefläuft. Immer wieder überrascht Europäer, welch hohe Toleranzschwelle Australierinnen und Australier haben, wenn sie schlecht bedient werden oder gar nicht. Konfliktvermeidung ist für viele Menschen hier deutlich wichtiger, als auf sein Recht zu pochen. Ob unkorrekter juristischer Rat oder ein Wurm im Salat im Restaurant: Man sagt lieber nichts und geht das nächste Mal woanders essen.
Es wird also Zeit, Tony kennenzulernen. Er wohnt in einem ausgedienten Eisenbahnwagen auf seinem Grundstück. Sein Land gleicht einer Narbe, mitten im Wald. Er hat
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