Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
leben, mit jeweils ganz eigenen Prioritäten, Wertvorstellungen, Forderungen, Wünschen und Hoffnungen. Selten kommen die Menschen aus verschiedenen Zonen wirklich in Kontakt miteinander. Weshalb sollten sie auch? Ein 24-jähriger Investmentbanker in der City von Sydney hat genauso wenig mit einem 49-jährigen Viehtreiber auf einer Rinderstation im Outback gemeinsam wie ein sizilianischer Weinbauer mit einem Verkäufer in einer Boutique in Amsterdam.
Außer dem australischen Pass.
Die erste Zone: die Innenstadt von Sydney. Es könnte auch Melbourne sein, Brisbane oder Perth. Eine der australischen Metropolen. Hier lebt er, der 24-jährige Investmentbanker. Nennen wir ihn Nguyen. Er ist Sohn vietnamesischer Bootsflüchtlinge, die sich hochgearbeitet haben. Er wohnt in einem Einzimmerapartment. Mitten in der George Street, beste Adresse, sündhaft teuer. Urban, gebildet, viersprachig, weltoffen. Jeden Morgen rennt er im »Gym« eine Stunde lang auf dem Laufband, mit den Kopfhörern seines iPods in den Ohren. Er ernährt sich von Tiefkühlkost – Einzelportionen, aufgewärmt im Mikrowellenofen. »Fun« ist für ihn ein Samstagabend im Club. Dort haut er sich mit »Ice« die Birne weg, um am Montag nach zwei Espressos wieder am Bildschirm Millionen zu verschieben. Das Geld anderer Leute natürlich.
Zwanzig Minuten mit dem Bus. Man riecht das Meer in der Luft. Sydney die Hafenstadt, Zone Nummer zwei. Die Northern Suburbs, die Eastern Suburbs – früher Heimat der Arbeiterklasse, heute die teuerste Adresse im Land. Jedes Haus, jedes Apartment, von dem man auch nur einen Millimeter Ausblick aufs Meer hat, ist kaum bezahlbar. Hier wohnt, wer hier geboren wurde, damals, als ein Haus noch billig war. Oder wer reich ist. Nennen wir ihn Malcolm, ein erfolgreicher Geschäftsmann, einer, der die Internetblase überstanden hat und sich mit einem vollen Bankkonto zur Ruhe setzen konnte. Im Alter von 41 Jahren. Seither lebt er von kleinen Nebengeschäften – »hier mal eine Million, da mal eine«, sagt er – mit Rohstoffen, mit Aktien. Mona Vale, Whale Beach, Bellevue Hill, Double Bay – das ist das Wohngebiet der Elite. Am Morgen ein strammer Jogg am Strand oder an der Promenade, dann Cappuccino und Blackberry, der erste Deal. Bei Häuserpreisen von fünf Millionen aufwärts ist man unter sich. Und das wird auch so bleiben. Ein »Westie« verirrt sich jedenfalls selten hier hin.
Kaum 30 Kilometer weiter westlich. Zone Nummer drei. Hier wohnen sie, die »Westies«. Orte wie Campbelltown und Penrith, Blacktown und Rooty Hill. Eine andere Welt. Hypothek und Kinderkrippe, Großbildschirme und Westfield-Einkaufszentren. Menschen eben wie Marie, Howards Vorort-»Battlers«, auf der täglichen Suche nach Glück. Konsum als Religion. Das samstägliche Barbecue im Garten ist der Höhepunkt der Woche, dazu ein Kasten Bier und die Dauerberieselung durchs Radio. Football – das australische Rugby – sorgt für den Zusammenhalt in den Suburbs. Die Mitglieder der Rugby-Mannschaft »Warriors« sind Helden, und auch die der »Bulldogs«, obwohl sie sich nach den Spielen gelegentlich danebenbenehmen. Zu viel Alkohol und Gewalt gegen Frauen. Doch mit Helden hat man hier viel Geduld, solange sie Sportler sind. »Boys will be boys« – Jungs sind nun mal eben Jungs, denkt meist auch die Polizei. An den Wochentagen laufen in allen Küchen und Garagen die Sendungen der Radiomoderatoren Alan Jones und Ray Hadley, ultrarechte sogenannte »Shock Jocks«, die alles und jeden niedermachen, der nicht »Austrayn« ist und sich ihrer Meinung nach »nicht anpassen« will. Flüchtlinge, Grüne, Faule, Wohlfahrtsempfänger, Ausländer, Snobs, Intellektuelle. Und Politiker, außer die konservativsten. Die dauernde Angst vor anderen Kulturen äußert sich in den Suburbs in hemdärmeligem, aggressivem Pub-Patriotismus. Und das, obwohl in einigen Ortschaften der Western Suburb bis zu 50 Prozent der Einwohner nicht in Australien geboren sind. Von ihren Politikern fordern die »Westies« gute Straßen, billiges Benzin, Jobs und niedrige Steuern. Die Menschen in den Western Suburbs – sie wissen um ihre Macht als größte Wählergruppe des Landes.
Ein paar Flugstunden weiter. Alice Springs, das Rote Zentrum Australiens. Von dort sind es noch vier Stunden im Allradfahrzeug. Die Zone vier. Outback, Isolation, Weite, Australien aus dem Reisekatalog. Für Besucher zumindest. Wer hier wohnt, sieht es anders. Nennen wir ihn Jack. Er kämpft mit den
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