Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Besiedelung des Kontinents muss Australien wieder Weizen aus Großbritannien einführen, ausgerechnet vom ehemaligen Mutterland. »Wir hatten gute Zeiten. Umso schlimmer ist jetzt der Schock.«
Fette Jahre, dürre Jahre – sie sind ein Symbol der australischen Landwirtschaft. Feuer und Flut. Auf jede Hoch-Zeit folgt irgendwann der Fall. Dieser jüngste, sagt Riley, sei ganz besonders schmerzhaft.
Am Boden eines ausgetrockneten Weihers lässt John den zu Staub gewordenen Schlamm durch seine Finger sickern. »Das gab es schon lange nicht mehr«, sagt er. Am Ufer liegen die ausgebleichten Gebeine eines Schafes. Seit der letzten Dürre 1994 hatten australische Landwirte viele gute Ernten und damit die Möglichkeit, Geld zurückzulegen für schlechte Zeiten. Doch diese Mittel seien fast aufgebraucht: Riley hat in den letzten Monaten 60 000 Euro für Heu und Futter ausgegeben. »Die wirklich harte Phase beginnt in den nächsten Wochen, wenn die Zeit des Säens kommt«, sagt der Landwirt. Dann würden viele Bauern zu den Banken gehen und um Kredite für den Kauf von Saatgut bitten. Doch viele werden abgewiesen, weil den Banken die Sicherheitsgarantien fehlen. »Das kann für einen Betrieb das Ende bedeuten.« Fehlt einmal die Saat im Boden, hat ein Bauer kaum noch Aussicht, sich wirtschaftlich erholen zu können. Der durchschnittliche australische Landwirtschaftsbetrieb soll in diesem Jahr einen Verlust von 54 000 Euro schreiben, hat Riley im Radio gehört. Im letzten Jahr war es noch ein Gewinn von 51 000 Euro.
John Riley weiß nicht, was der Grund für diese Trockenheit ist. An Klimawandel, der vom Menschen verursacht ist, will er nicht glauben. »Grüne Propaganda«, sagt er mir. »Das Klima in Australien hat sich immer gewandelt.« Doch in seiner Stimme schwingt Zweifel. Die Dürreperioden waren früher nie so hart, nie so lange, sagt er und wechselt abrupt das Thema. »Ist mir alles zu politisch.« Ob er an Klimawandel glaubt oder nicht: Wie den meisten Bauern bleibt auch Riley nur das Warten auf den nächsten großen Regen. Und der könnte erst in ein paar Monaten kommen, trotz gelegentlicher Niederschläge in einigen Gebieten. Er hoffe, es bis dann »zu machen«, durchzuhalten. Wie die meisten australischen Farmer ist Riley zäh. Es liegt in seinem Blut, weiterzukämpfen. Doch die Dürre frisst sich ins Gemüt der Menschen. Die Furcht vor dem Bankrott ist für viele seiner Freunde kaum zu ertragen. 80 der 500 Bauern in seinem Bezirk nähmen Medikamente gegen Depression, hatte ihm der Arzt im Dorf erzählt. »Nein, nein, ich nicht«, sagt Riley und hustet.
»Ein Mann am Rande der Verzweiflung«, sollte ich später in der Zeitung schreiben.
Zehn Jahre später. Ich weiß nicht, was aus John und seiner Familie geworden ist. Irgendwann werde ich ihn wieder besuchen, diesen zähen Mann, draußen auf seiner großen Farm. Falls er noch dort ist, falls ihn der Staub in seiner Lunge nicht getötet hat oder die Verzweiflung. Leichter ist sein Leben in den letzten Jahren bestimmt nicht geworden. Seit unserem Interview wurde der Osten Australiens mehrfach von Trockenperioden heimgesucht, von viel intensiveren. Dürren, die Tausende von Landwirten in den Bankrott getrieben haben. Und Hunderte in den Freitod.
Ob John Riley seine Zweifel an der Ursache für die extremen Trockenperioden inzwischen abgelegt hat – ich würde es bezweifeln. Und das, obwohl heute kein westliches Land bereits so direkt und in vielfacher Form unter den Folgen des Klimawandels leidet wie Australien. Hitzewellen, Ernteeinbrüche, Flutkatastrophen, unkontrollierbare Waldbrände – sie haben in den letzten Jahren an Intensität und Häufigkeit dramatisch zugenommen. Und das ist erst der Anfang. Forscher sagen, die Zukunft werde viel schlimmer werden.
Trotzdem ist Klimawandelskepsis heute, im Jahr 2013, in Australien noch immer endemisch. Klar, eigentlich hatte John Riley recht, damals, vor zehn Jahren. Dürreperioden kommen und gehen. Sie gehören zum natürlichen Klimazyklus in Australien, dem nach der Antarktis trockensten Kontinent der Erde. In der Regel ist El Niño verantwortlich für die Trockenheit, sagen die Experten. El Niño ist das Phänomen der Veränderungen von Meeresströmungen im Pazifik, das sich etwa alle drei bis acht Jahre wiederholt. Die Umwälzungen im Meer werden durch signifikante Veränderungen im Klima begleitet, die in vielen Regionen der Welt spürbar sind. In Australien zeigt sich ein El-Niño-Zyklus in Form
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