Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
australischen Sonne. Eigentlich heißt er Brian Cox, aber die Australier lieben es, alles abzukürzen, vor allem Namen. Aussie etwa steht für Australien. Aus Brisbane wird Brissie , aus Christmas Chrissie . Selbst im Fernsehen hat man keine Scheu davor abzukürzen. Kaum im Land, hörte ich einmal, wie der Moderator auf einem Sender erklärte, weshalb seine Kollegin Christiane an dem besagten Tag nicht in der Sendung sei. »Chris ist über Chrissie in Brissie.« Und Millionen hatten verstanden, was er meinte. Nur ich nicht.
Seit ein paar Monaten mache ich einen selbstverordneten Schnellkurs im Bauerwerden. Außer ein paar Monaten in meiner Jugend auf einem Schweizer Bauernhof habe ich null Vorbildung und null Ahnung in landwirtschaftlichen Dingen. Aber Mick meinte, man könne so ein Stück Land nicht einfach brachliegen lassen. »Kauf dir ein paar Schafe«, sagte er, »die sind leicht zu pflegen, und du machst noch etwas Geld mit der Wolle.« Wir verbringen inzwischen jedes Wochenende auf unserem Grundstück, manchmal hängen wir noch ein, zwei Tage an. Doch der kleine Wohnwagen, den wir in den Anfangstagen in Australien gekauft hatten, erwies sich bald als zu klein. Denn inzwischen waren wir zu viert. Unser zweiter Sohn David hatte sich nicht so viel Zeit gelassen wie sein älterer Bruder. Diesmal schaffte es Doktor Harding rechtzeitig zum Golfplatz.
Wir fanden den größten Wohnwagen, den ich je gesehen hatte. Er stammt aus den sechziger Jahren, und ich sah ihn im Vorgarten eines Nachbarn stehen. Fast sechs Meter lang und drei Meter breit – ich habe keine Ahnung, wie so ein Monster überhaupt auf die Straße gelassen werden konnte. Doch früher sollen diese fahrenden Einfamilienhäuser in Australien sehr beliebt gewesen sein. So ließen wir das Teil auf einen Sattelschlepper laden und bei uns auf dem Land abliefern. Von einer Minute auf die andere hatten wir eine kleine Wohnung mitten in der Wildnis. Wir fühlten uns wie Könige in einem Schloss aus Aluminium, Sperrholz und Glas. Komplett mit Küche, Schlafzimmer, zwei Kajütenbetten für die Kinder, einer Dusche und einer Toilette. Nicht dass wir Letztere hätten benutzen können. Denn auf unserem Land gab es ja weder einen Wasseranschluss noch Kanalisation. Stattdessen grub ich im Wald ein tiefes Loch. Darüber stellte ich eine Plumpskiste, komplett mit Klodeckel. Auf Wände konnte ich verzichten. Denn es gab niemanden, der uns hier sehen konnte. So saß ich da, manchmal länger, als die Natur verlangte, und genoss auf unserem wirklich stillen Örtchen die Aussicht ins Tal. Bis ich mich daran erinnerte, dass sich unter dem Deckel solcher Außenklos gerne Rotrückenspinnen verstecken. Einen Biss dieser Schwarzen-Witwen-Spinne vergisst man so schnell nicht. Wie ich ein paar Jahre später am eigenen Leib erfahren sollte.
Es sind Menschen wie Coxi und Mick, denen wir es zu verdanken haben, dass wir uns auf unserem Land sehr schnell zu Hause fühlen. Ihre Unterstützung und ihre Geduld, mit der sie auch die dümmsten Fragen von uns Städtern beantworten, sie sind ein Beispiel für das, was ich an unseren australischen Mitbürgern so schätze: ihre generelle Hilfsbereitschaft. Vor allem auf dem Land steht man sich in der Regel gegenseitig bei, hilft sich aus, gibt Ratschläge. An Gelegenheiten, Fehler zu machen, fehlt es nicht. Selbst das Zäunen des Grundstücks kann sich zur Katastrophe entwickeln, wenn man es nicht von Anfang an richtig macht. Zäunen ist nicht einfach ein Handwerk und eine Notwendigkeit. Zäunen ist eine Kunst.
»Jeder Landbesitzer ist verpflichtet, sein Grundstück dort abzuzäunen, wo es an öffentlichen Grund und Boden grenzt«, heißt es im Gesetz. Jeder Landbesitzer ist verantwortlich für die Tiere, die er hält. Wenn ein Schaf oder ein Rind ausbricht, auf eine Straße spaziert und dort einen Unfall verursacht – der Besitzer ist in jedem Fall verantwortlich. Für den Schaden an den Fahrzeugen, für die Verletzten, für die Toten. Die Kosten können schnell in die Millionen gehen. Doch auch wenn die Tiere auf ein Nachbargrundstück wandern und Schäden anrichten oder in einen Nationalpark, kennt das Gesetz keine Gnade. Nicht nur flattert einem eine Rechnung ins Haus, in der Regel sieht man seine Tiere nie wieder. Kein Wunder also, dass australische Bauern das Zäunen sehr ernst nehmen und einen Stolz auf ihre Arbeit entwickelt haben. Für Kenner – und ich bin inzwischen einer – ist ein schnurgeradegesetzter Zaun, der sich
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