Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
setze. Mir ist der Appetit vergangen. »Ich hätte das gerade genauso gut den Kängurus in meinem Garten erzählen können«, flüstere ich ihr zu, »die würden ähnlich viel Begeisterung zeigen.« Doch sie beruhigt mich. »Wir Australierinnen sind sehr zurückhaltend. Wir denken viel, sagen aber wenig. Zumindest nicht direkt, und schon gar nicht vor unseren Freundinnen.« Als sich die Frühstücksrunde auflöst, kommen zwei der Zuhörerinnen an meinen Tisch. »Alles gut und recht, was Sie uns da erzählen«, sagt Kathy, die Frau eines örtlichen Geschäftsmanns. »Aber diesen Unsinn mit dem Klimawandel, den Mist, den die Grünen und Linken erzählen, den müssen Sie ja nicht wiederholen, oder?« Ich versuche, der Frau zu erklären, dass es Wissenschaftler sind, die vor dem Klimawandel warnen, nicht ich. Aber sie will nur hören, was sich mit ihrem Weltbild deckt, und stampft wütend davon. Dann spricht mich Emma-Kate an. Sie ist die Marketing-Frau der lokalen Zeitung, der Greentown Post . »Darf ich Ihre Rede haben? Ich möchte darüber berichten.« Ich reiche ihr strahlend meine Notizen, dann muss ich los. Zu Hause wartet Mick. Und Sven, der Schwede.
Schwede ist Sven eigentlich nicht. Er ist so australisch wie ein Koala. Aber seine Eltern waren aus Schweden eingewandert. So blieb die Bezeichnung hängen. Sven ist ein kleiner Mann, etwas über 70 Jahre alt und längst in Rente. Er hat also genügend Zeit, sich seinem Hobby zu widmen. Sven sucht nach unterirdischen Flüssen und Seen. Mit der Wünschelrute. Er soll mir zeigen, wo es auf unserem Land – genauer gesagt darunter – Wasser gibt. Mick hat ihn mir empfohlen. Ich traue der Sache allerdings nicht sehr. Doch Mick scheint vollstes Vertrauen in den Mann zu haben. Wir spazieren los.
Kaum etwas spielt im ländlichen Australien eine derart bedeutende Rolle wie die Verfügbarkeit von Wasser. Wasser, unbegrenzt Wasser – das ist, als fände man in den Vereinigten Staaten auf seinem Land Öl. Nicht in Australien. Hier gehört dem Landbesitzer nur, was sich in den ersten 30 Zentimetern Erde eines Grundstücks befindet. Was drunter liegt – Mineralien etwa, Öl –, gehört dem Staat. Wer davon etwas will, muss im Fall von Mineralien viel Geld auf den Tisch legen, um Abbaurechte zu erhalten. Im Fall von Wasser für »Haushaltszwecke« reicht eine Lizenz für ein paar hundert Dollar.
Gutinvestiertes Geld. Denn die Verfügbarkeit von Grundwasser steigert den Wert jedes Grundstücks, das keinen Anschluss an das öffentliche Wassersystem hat. Wie unseres eben. Eigentlich haben wir genügend Wasser zum Leben. Wir leiten jeden Tropfen, der auf das Dach unseres Sheds fällt, in zwei große Plastiktanks. So stehen fast immer etwa 15 000 Liter zur Verfügung. Selbst in Zeiten der Trockenheit, wie jetzt, füllt der Tau auf dem Blechdach in der Nacht einen wesentlichen Teil des Wassers wieder auf, das wir am Vortag verbraucht haben. Auch für unser Haus haben wir zwei Tanks bestellt. Jeder mit einem Fassungsvermögen von 13 500 Litern. Doch selbst diese große Menge wird in Krisenzeiten nicht ausreichen. Bei einer lange andauernden Dürre etwa oder im Fall eines Buschfeuers. Wenn einmal die Feuerwehr kommt und die Tanks anzapft, sind die Vorräte gleich weg. Deshalb ist nun Sven hier. Der alte Mann benutzt zwei Kupferdrähte, die wie der Buchstabe L geformt sind. Den kurzen Teil des Drahtes hält er in seinen Fäusten. Der längere Arm der Drähte bewegt sich frei. Langsam spazieren wir über das Grundstück. Mick und ich müssen hinter Sven gehen, »wegen der elektromagnetischen Wellen«, wie er sagt. Das ist so ziemlich alles, was Sven in drei Stunden spricht. Wir folgen ihm, Schritt für Schritt, wortlos. Unter unseren Füßen knistert das trockene Gras. Kreischende Kakadus fliegen über unsere Köpfe. Aber nur weiße. Die sind hier so zahlreich wie Tauben in einer Stadt. »Wenn wir schwarze Kakadus sehen, kommt Regen«, flüstert mir Mick zu.
Er hat seit Jahren keine mehr gesehen.
Australien mag zwar nach der Antarktis der trockenste Kontinent der Welt sein, aber tief in seinem Boden schlummern kaum vorstellbare Mengen Wasser. Großes Artesisches Becken nennen die Wissenschaftler eines der größten natürlichen Wasservorkommen auf dem Globus. Dieser monumentale unterirdische See zieht sich über 1,7 Millionen Quadratkilometer vom Norden des Kontinents bis fast ganz in den Süden und bis nach Zentralaustralien. An einigen Stellen liegt der Wasserspiegel nur
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