Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Ansonsten von der Welt abgeschottet, arbeiten die Mitglieder der Sekte in erster Linie in handwerklichen Berufen. Ihren Frauen ist es verboten, einer Arbeit nachzugehen, ihr Platz ist zu Hause. Am Herd, im Garten, im Bett, an der Wiege. Bob erzählt mir, Greentown sei ein Sammelbecken für die »Brüder«. Erst danach fallen mir die »Bretheren« auf, und zwar in erster Linie aus einem Grund: Sie scheinen alle VW-Busse zu fahren. Und zwar immer das neuste Modell. Ich habe keine Ahnung, weshalb das so ist.
Viele Australierinnen und Australier sind nicht sehr religiös. Der Großteil der Menschen hier zählt sich zwar zum Katholizismus oder Anglikanismus, die wenigsten aber sehen je eine Kirche von innen, außer vielleicht während der Beerdigung ihrer Oma. Dagegen sind die Gotteshäuser der kleineren Religionsgemeinschaften wie etwa die »Brüder«, aber auch Muslime, Juden, Buddhisten, gut besucht. Für die Gläubigen dieser Religionen ist die Kirche, die Moschee, die Synagoge oder der Tempel sehr oft nicht nur der Ort, an dem sie religiös ein Zuhause finden. Sie finden soziale Sicherheit, eine Gemeinde, Freunde. Alleine in Greentown gibt es ein halbes Dutzend Freikirchen.
Dass wir im Shed wohnen, während Bob und Bob nur 200 Meter weiter unser Haus bauen, ist eine ideale Situation. Nicht nur, weil Bob mich dann jederzeit als Eilkurier benutzen kann, der ihm aufs Wort gehorcht und sich für jeden Schraubennotfall mit der Kreditkarte im Geldbeutel ins Auto setzt. Es ist auch extrem wichtig, dass Bob sich bei Problemen jederzeit an mich wenden kann. Ja, an mich. Immer an mich, niemals an Christine. Hausbau ist Männersache. Es müsste sich schon um einen absoluten Notfall handeln, wenn Bob Christines Meinung zum Hausbau einholen würde. Und er ist damit nicht alleine. Auch wenn ein Nachbar etwas über unser Land wissen will, über die Tiere vielleicht oder den Zaun – er wird nur mit mir sprechen. Ganz anders ist die Situation, wenn es um Kinder geht. Niemals würde es jemandem einfallen, mich zu fragen, ob die Kinder die Schulbücher für das nächste Semester gekauft haben, ob sie geimpft sind, ob sie eine neue Schuluniform benötigen. »Ist Christine zu Hause?«, fragt mich Shirley, die Sekretärin unserer Schule. Als ich verneine, bittet sie, Christine solle sie doch zurückrufen. Sie müsse wissen, wann die Kinder vom Europaurlaub zurückkommen. Niemals wäre ihr eingefallen, dass ich diese Frage genauso gut hätte beantworten können. Kinderfragen sind Frauensache. Auch wenn unsere Nachbarin Julie unseren Staubsauger ausleihen will, fragt sie Christine. Oder wenn sie etwas Salz braucht. Niemals mich. Eine absurde Tradition, die aber auf dem Land in Australien die Norm ist. Dabei kann Christine genauso gut entscheiden, ob Bob eine Treppe zehn Zentimeter versetzt montieren soll. Und ich weiß, wo das Salz steht. Denn ich koche genauso oft und gut wie meine Frau. Schließlich arbeitet Christine mehrere Tage pro Woche im Krankenhaus von Greentown. In dieser Zeit schmeiße ich den Haushalt, bringe die Kinder zu und von der Schule. Dazwischen berichte ich von meiner Büroecke im Schlafzimmer aus über Australien. Es ist ein anstrengendes Leben, dafür sollte man ausgeschlafen sein. Doch es gibt Nächte, da mache ich kein Auge zu. Etwa vor meinem Vortrag im »Greentown Breakfast Club«.
KAPITEL 27
»Kein Grund, nervös zu sein«, Corina lächelt mich an, »wir beißen nicht.« Davon bin ich nicht überzeugt. Ich stehe vor 26 Frauen und frage mich, ob es wirklich eine gute Idee war, eine Einladung als Gastredner anzunehmen. Die Damen sind allesamt gepflegte Erscheinungen mittleren Alters, die nun auf meine Worte warten. Oder auch nicht. Wahrscheinlich kamen sie nur wegen des Frühstücks. Eier mit Speck oder Pfannkuchen, Frau hat die Wahl. Die meisten Frauen hauen rein, als hätten sie eine Fastenwoche hinter sich. »Sie sind ganz einfach hungrig«, sagt Corina. Einige dieser 50- bis 70-jährigen Damen seien Geschäftsfrauen oder Bäuerinnen. Sie haben heute früh schon die Buchhaltung gemacht, die Kühe gemolken, die Eier aus dem Hühnerstall geholt, die Schweine und den Mann gefüttert. Und das alles vor acht Uhr.
Also los. »Danke, dass ich heute bei Ihnen sein darf«, beginne ich, »und danke, dass Sie mich und meine Familie in Greentown so nett aufgenommen haben.« Ein leichtes Lächeln auf einigen Gesichtern. Doch ich mache mir keine Illusionen: Mit diesen Frauen ist nicht zu spaßen. Die meisten wissen,
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