Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Geld in einer europäischen Heilquelle trinken kann. Wenn es mir mit dem Journalismus reicht, kann ich ein Kurbad eröffnen. »Bad Wombat Creek«.
KAPITEL 28
Zu meiner Überraschung hat mein Vortrag in der letzten Ausgabe der Greentown Post keine negativen Reaktionen ausgelöst. Ganz im Gegenteil. Ein paar Tage später habe ich eine E-Mail in der Inbox. »Wir sind so inspiriert von deinen Ideen«, schreiben Viola und Keith, »wir möchten TGG beitreten.« Sie sind nicht die Einzigen. Fünf Leute melden sich bei mir, Menschen, die unsere Vision teilen. Trish ist fast euphorisch: »Ich glaube, wir stehen am Beginn einer neuen Zeit für Greentown.« Ein Gespräch mit Viola und Keith zeigt sofort: Die beiden passen zu unserer Gruppe wie ein Deckel auf einen Topf. Viola und Keith sind die klassischen Treechanger, von denen ich vor ein paar Tagen den Frauen vom Breakfast Club erzählt hatte: Geschäftsleute, die Sydney den Rücken gekehrt haben und gleich mit ihrem Unternehmen aufs Land zogen. Sie haben ein landesweites Netz von Verkaufsstellen für motorisierte Rollstühle. »Nein, Roller heißen die«, korrigiert mich Keith. Er liebt Genauigkeit. Und er ist direkt. Perfekt, Keith wird unser Schatzmeister.
Unsere erste große Idee: Wir wollen in Greentown auf Tausenden von Dächern Solarzellen installieren. Eine Mammutaufgabe in einem Land, in dem viele Bürgerinnen und Bürger jede Form von alternativer Energie als grünes Hirngespinst abtun und der Ruf nach Nachhaltigkeit als sozialistische Unterwanderung des kapitalistischen Systems gesehen wird. Aber schließlich wollen wir die Welt verändern. Zumindest unsere Welt. Hier in Greentown.
Der Zufall kommt uns zu Hilfe. Auf einem Kongress zum Thema »Erneuerbare Energien« der Deutsch-Australischen Handelskammer in Sydney treffe ich Patrick. Er vertritt eine australische Firma, die Solaranlagen vertreibt. »Die Gelegenheit könnte besser nicht sein«, meint er, »der Bundesstaat New South Wales hat gerade einen großzügigen Einspeisetarif angekündigt.« Endlich führt die Regierung ein Förderprogramm ein – nach deutschem Muster. Man wolle im Bundesstaat den Aufbau einer neuen Industrie fördern. Wer auf seinem Hausdach Solar installiert, kann den produzierten Strom ins Netz speisen und erhält dafür 60 Cents pro Kilowattstunde. »Ein Weltrekord«, sagt Patrick. »Kein anderes Land, keine andere Regierung der Welt ist so großzügig. Nicht mal die Deutschen.« Patrick ist einer dieser jungen Australier, die mir häufig über den Weg laufen: jung, gescheit, ambitioniert und mit einem wirklich starken Sinn für Gemeinschaft, soziale Gerechtigkeit und die Umwelt. Gemeinsam arbeiten wir ein »Package« aus, für die Leute von Greentown. »Greentown Goes Solar« – für einen vergünstigten Preis installiert Patricks Firma Anlagen auf den Dächern. Wer sich die Anfangsinvestition von etwa 15 000 Dollar nicht leisten kann, dem bietet er einen Kredit an. Die Rückzahlungen werden durch die Einspeisevergütung gedeckt – in der Regel bleibt sogar noch etwas übrig. Wir sind alle begeistert. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Dächer von Greentown, bedeckt mit Solarzellen – ein Meer von glänzendem Silber. Saubere Sonnenkraft statt schmutziger Kohlepower. In einer Zeitschrift lese ich von einem deutschen Dorf, das sich komplett vom Elektrizitätsnetz abgenabelt hat und seinen Strom ausschließlich mit Erneuerbaren Energien produziert. »Das muss unser Ziel sein«, sage ich zur Gruppe. Trish hat nur zwei Worte für mich: »Vergiss es.« Sie lebt seit Jahrzehnten in Greentown und beklagt seither das konservative Denken ihrer Nachbarn.
Trish sollte – zumindest teilweise – recht behalten. Unsere Bitte an das »Council«, den Gemeinderat, um Unterstützung bei der Vermarktung der Idee prallt erst mal ab. Weder der Bürgermeister noch die Gemeinderäte haben das geringste Interesse, etwas am Status quo zu ändern. Und Jack, der oberste Beamte, schon gar nicht. Ein starrer Bürokrat, mit der Vision eines Maulwurfs. So konzentrieren wir uns auf die Medien. Die Greentown Post berichtet mehrfach wohlwollend über unsere Idee und über das Konzept von »Greentown Goes Solar«. Doch die Reaktion kommt postwendend, auf der Leserbriefseite. Halb Greentown scheint zu glauben, jede Investition in alternative Energien bedeute nicht nur eine Bedrohung der Rohstoffindustrie, sondern auch eine Kapitulation vor den »Grünen und Linken«. Trotzdem werden langsam, ganz
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