Weit wie das Meer
einmal tief in die Augen.
»Nun muß ich aber los, wenn ich meine Maschine noch erwischen will.«
»Ich weiß.«
Er trat zurück und schlug die Wagentür zu. Sie kurbelte das Fenster herunter und streckte ihm die Hand entgegen. Garrett drückte sie fest.
»Du rufst mich heute abend an?«
»Versprochen.«
Lächelnd zog sie die Hand zurück und drehte den Zündschlüssel. Als der Wagen losfuhr, sah Garrett sie ein letztes Mal winken und fragte sich, wie in aller Welt er diese nächsten zwei Wochen überstehen sollte.
Trotz des starken Verkehrs gelangte Theresa rasch ins Hotel und beglich ihre Rechnung. Sie fand drei Nachrichten von Deanna vor, eine dringlicher als die andere: ›Wie läuft es bei dir? Wie war die Segeltour?‹ - ›Warum hast du nicht angerufen? Ich warte auf Nachricht‹ - ›Du treibst mich in den Wahnsinn! Bitte ruf an und berichte in allen Einzelheiten. Bitte!‹ Auch von Kevin war eine Nachricht da, aber sie mußte schon älter sein, denn sie hatte ihn mehrmals von Garrett aus angerufen.
Theresa gab den Leihwagen zurück und erreichte den Flughafen knapp eine halbe Stunde vor Abflug. Glücklicherweise war die Schlange an der Gepäckabgabe kurz, und so gelangte sie in letzter Minute in ihr Flugzeug. Es war nur zur Hälfte besetzt, und der Platz neben ihr blieb leer.
Sie schloß die Augen und dachte über die erstaunlichen Ereignisse der letzten Woche nach. Sie hatte Garrett nicht nur gefunden, sondern obendrein sehr viel besser kennengelernt, als sie für möglich gehalten hatte. Er hatte Gefühle in ihr geweckt, die sie längst verschüttet geglaubt hatte.
Aber liebte sie ihn?
Sie stellte sich diese Frage sehr behutsam, da sie nicht wußte, was ein Eingeständnis bedeutet hätte.
Sie rief sich das Gespräch der letzten Nacht ins Gedächtnis zurück - seine Angst, die Vergangenheit loszulassen, seine Bedenken, weil sie einander nicht so oft sehen konnten, wie er wollte. All das verstand sie durchaus. Aber…
»Ich glaube, ich liebe dich.«
Sie runzelte die Stirn. Warum dieses ›Ich glaube‹ Entweder liebte er sie oder er liebte sie nicht… Hatte er das gesagt, um sie zu beschwichtigen? Oder aus einem anderen Grund?
»Ich glaube, ich liebe dich.«
Sie hörte es ihn immer wieder sagen, mit einer Stimme voller… voller widersprüchlicher Gefühle? Rückblickend wünschte sie fast, er hätte es gar nicht gesagt. Dann hätte sie jetzt nicht zu rätseln brauchen, was damit gemeint war.
Aber wie stand es mit ihr? Liebte sie Garrett?
Müde und nicht mehr willens, sich ihren widerstreitenden Empfindungen zu stellen, schloß sie erneut die Augen. Eines aber war sicher - sie würde ihm ihre Liebe nicht gestehen, ehe sie nicht mit Sicherheit wußte, daß er Catherines Verlust überwunden hatte.
Garrett träumte in dieser Nacht von einem gewaltigen Sturm. Regen prasselte auf das Haus nieder, und er rannte hektisch von einem Zimmer ins andere. Es war nicht sein Haus, und obwohl er es gut zu kennen glaubte, konnte er wegen des Regens, der durch die geöffneten Fenster peitschte, kaum etwas sehen. Weil er wußte, daß er sie schließen mußte, lief er ins Schlafzimmer, verwickelte sich aber in den langen Vorhängen, die sich vom Wind blähten. Er befreite sich, doch im selben Augenblick erlosch das Licht, und der Raum lag völlig im Dunkel.
Über das Tosen des Sturms hinweg vernahm er in der Ferne eine Sirene, die Warnung vor einem nahenden Hurrikan. Während am Himmel Blitze zuckten, versuchte er vergebens, die Fenster zu schließen. Seine Hände waren vom Regen naß und fanden nicht den nötigen Halt.
Über ihm begann das Dach zu ächzen und zu knarren. Garrett hörte, wie Ziegel herunterfielen und Glas splitterte.
Er rannte ins Wohnzimmer. Das große Panoramafenster war zerborsten, der Boden übersät mit Scherben. Die Eingangstür bebte in ihrem Rahmen.
Draußen vor dem Fenster hörte er Theresa nach ihm rufen.
»Garrett, du mußt raus!«
In diesem Augenblick zerbarsten auch die Scheiben im Schlafzimmer. Der Sturm fuhr durchs Haus und riß eine Öffnung in die Decke. Lange würde das Haus nicht mehr standhalten.
Catherine.
Er mußte ihr Foto holen und die anderen Erinnerungsstücke.
»Garrett!« rief Theresa wieder. »Es ist höchste Zeit!«
Trotz des Regens und der Dunkelheit konnte er sie draußen heftig gestikulieren sehen.
Das Foto. Der Ring. Die Valentinskarten.
»So komm doch!« schrie sie.
Mit großem Getöse löste sich das Dach vom Haus, und der Wind begann
Weitere Kostenlose Bücher