Weiter weg
Hauptrolle, doch in den Jahrzehnten seither war er nicht mehr lieferbar. Heute erinnert man sich an ihn vor allem wegen seines Titels, der zusammen mit David Riesmans Die einsame Masse und William H. Whytes Herr und Opfer der Organisation zu einem Schlagwort für den Konformismus der fünfziger Jahre wurde.
Vielleicht verurteilen Sie diesen Konformismus ja, vielleicht haben Sie eine heimliche Sehnsucht danach. Wie auch immer, Der Mann im grauen Flanell liefert Ihnen die pure Fifties-Dosis. Die Hauptfiguren, Tom und Betsy Rath, sind ein attraktives WASP-Paar, das sich in traditioneller Arbeitsteilung eingerichtet hat; Betsy bleibt zu Hause bei den drei Kindern, Tom pendelt zu einem schrecklich faden Job nach Manhattan. Die Raths fügen sich ein, aber nicht gern. Betsy schimpft auf die Ödnis ihrer Straße, sie träumt davon, ihren streberhaften Nachbarn (die ebenfalls unzufrieden sind) zu entfliehen, sie ist alles andere als eine Supermutti. Als eine ihrer Töchter eine Wand mit einem Tintenfässchen verunstaltet, haut Betsy ihr erst eine runter und legt sich dann mit ihr ins Bett; am Abend findet Tom sie «eng umschlungen», beider Gesichter mit Tinte verschmiert.
Wie Betsy wird auch Tom durch seine Schwächen sympathisch. «Der Mann im grauen Flanell» ist für ihn ein Objekt von Furcht und Verachtung, und doch sucht er, da sein Leben als Brotverdiener in vorstädtischer Häuslichkeit sich so radikal von seinem Leben als Fallschirmspringer im Zweiten Weltkrieg unterscheidet, bewusst Zuflucht in grauem Flanell. Als er sich um eine lukrative neue PR-Stelle bei der United Broadcasting Corporation bewirbt, erfährt er, dass der Vorstandsvorsitzende der Firma, Hopkins, ein nationales Komitee für psychische Gesundheit plant. Ob Tom sich für psychische Gesundheit interessiert?
«Allerdings!», sagte Tom energisch. «Für psychische Gesundheit habe ich mich schon immer interessiert!» Das klang ein wenig töricht, aber ihm fiel nichts ein, womit er es retten konnte.
Konformismus ist die Droge, mit der Tom hofft, seine eigenen Probleme mit der psychischen Gesundheit zu kurieren. Obwohl von Natur aus ehrlich, versucht er alles, um sich als Zyniker zu geben. «Mein ganzer Lebenszweck ist es, im Dienst der psychischen Gesundheit zu arbeiten», scherzt er eines Abends mit Betsy. «Ich selbst bin völlig unwichtig. Ich bin ein aufopferungsvoller Mensch.» Als Betsy ihn wegen seines Zynismus schilt und sagt, er solle nicht für Hopkins arbeiten, wenn er ihn nicht möge, antwortet Tom: «Ich mag ihn. Ich bewundere ihn. Mein Herz gehört ihm.»
Im moralischen und emotionalen Zentrum von Der Mann im grauen Flanell steht Toms mehr als vierjähriger Militärdienst. Ob er nun feindliche Soldaten umbrachte oder sich in ein verwaistes italienisches Mädchen verliebte, als Soldat empfand Tom Rath sein Leben als sehr intensiv. Seine Kriegserinnerungen bilden nun einen schmerzlichen Kontrast zu dem «angespannten und hektischen» Friedensleben, in dem, wie Betsy klagt, «nichts mehr besonders Spaß macht». Vielleicht ist Tom durch seine Kampfeinsätze traumatisiert, vielleicht sehnt er sich aber gerade nach der Atmosphäre von Aufregung und mannhaftem Tun, die ihm nach dem Krieg verlorengegangen ist. In jedem Fall zieht er Betsys Vorwürfe auf sich: «Seit du wieder da bist», sagt sie, «willst du eigentlich nicht mehr viel. Du arbeitest hart, aber im Grunde versuchst du es gar nicht richtig.»
Tom Rath steckt tatsächlich in einer Klemme des Konsumzeitalters. Bei drei Kindern, die er zu versorgen hat, wagt er sich nicht auf den Weg von Anomie, Ironie und Entropie, den Beat-Weg, den Kerouac propagierte und dem Pynchon folgte. Doch die Tretmühle des Konsumismus, das bequeme Konzept, die Waren zu begehren, die jeder andere auch begehrt, scheint kaum weniger gefährlich. Tom sieht durchaus, dass er, wenn er in die hedonistische Tretmühle steigt, tatsächlich zum Mann im grauen Flanell wird und mechanisch noch höheren Gehältern nachjagt, um sich «ein teureres Haus und einen besseren Gin» leisten zu können. Und so schwanken Stimmung und Tonfall in der ersten Hälfte des Romans, wo er sich zwischen gleichermaßen unattraktiven Alternativen windet, heftig zwischen Müdigkeit, Wut und Angeberei, zwischen Zynismus, Verzagtheit und prinzipientreuer Entschlossenheit, und Betsy, die überhaupt nicht erkennt, warum ihr Mann unglücklich ist, schwankt mit ihm mit.
Die erste Hälfte des Buchs ist die sehr viel bessere. Die Raths sind
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