Weiter weg
Art) der Rivalität. Ein paar Jahre, bevor er starb, signierte er seine beiden neuesten Bücher für mich. Auf dem Titelblatt des einen fand ich hinterher den nachgezeichneten Umriss seiner Hand; auf dem Titelblatt des anderen war der Umriss einer so gewaltigen Erektion, dass sie über die Seite hinausragte, versehen mit einem kleinen Pfeil und der Bemerkung «Maßstab 100%». In Gegenwart eines Mädchens, mit dem er ausging, habe ich ihn einmal begeistert die Freundin von jemand anderem als sein «Paragon der Weiblichkeit» beschreiben hören. Davids Mädchen legte eine wunderbare Spätzündung hin und sagte: « Was? » Woraufhin David, dessen Wortschatz so groß war wie der keines anderen in der westlichen Hemisphäre, tief Luft holte, sie wieder ausstieß und sagte: «Ich stelle gerade fest, dass ich keine Ahnung habe, was das Wort Paragon eigentlich bedeutet.»
Er war liebenswert, wie ein Kind liebenswert ist, und er konnte Liebe mit kindlicher Reinheit erwidern. Wenn die Liebe dennoch aus seinem Werk verbannt ist, dann weil er nie recht das Gefühl hatte, sie zu verdienen. Er war lebenslang gefangen auf der Insel seiner selbst. Was aus der Ferne nach sanften Konturen aussah, waren tatsächlich steile Klippen. Manchmal war nur ein bisschen von ihm verrückt, manchmal beinahe alles, doch war er, als Erwachsener, nie ganz nicht verrückt. Was er von seinem Es gesehen hatte, als er mit Hilfe von Drogen und Alkohol aus seinem Inselgefängnis auszubrechen versucht hatte, nur um sich durch die Sucht noch mehr als Gefangener zu fühlen, scheint nie aufgehört zu haben, seinen Glauben an die eigene Liebenswürdigkeit zu zersetzen. Selbst nachdem er clean war, selbst Jahrzehnte nach seinem jugendlichen Selbstmordversuch, selbst nachdem er sich langsam und heldenhaft ein eigenes Leben aufgebaut hatte, fühlte er sich wertlos. Und dieses Gefühl verband sich, am Ende bis zur Ununterscheidbarkeit, mit dem Gedanken an Selbstmord, der der sichere Weg aus seiner Gefangenschaft war; sicherer als Sucht, sicherer als Literatur, sicherer, schließlich, als Liebe.
Wir, die wir uns nicht so pathologisch weit draußen im Spektrum der Selbstverstrickung befanden, wir Bewohner des sichtbaren Spektrums, die wir uns zwar vorstellen konnten, wie es sich anfühlt, über Violett hinauszugehen, aber selbst nicht darüber hinaus waren, konnten sehen, dass David unrecht hatte, nicht an seine Liebenswürdigkeit zu glauben, und konnten uns den Schmerz vorstellen, den das verursachte. Wie leicht und natürlich ist die Liebe, wenn man gesund ist! Und wie grauenvoll schwierig – was für eine philosophisch ernüchternde Vorrichtung aus Selbstsucht und Selbsttäuschung die Liebe doch zu sein scheint –, wenn man es nicht ist! Und doch, eine der Lehren von Davids Werk (und, für mich, von seiner Freundschaft) ist, dass der Unterschied zwischen gesund und nicht gesund in mehr als einer Hinsicht nicht kategorial, sondern graduell ist. Auch wenn David über meine viel milderen Abhängigkeiten lachte und mir gern erzählte, dass ich nicht einmal ermessen könne, wie gemäßigt ich sei, so kann ich von diesen Abhängigkeiten und der Heimlichtuerei und dem Solipsismus und der radikalen Isolation und der rohen tierischen Gier, die sie begleiten, doch auf das Extrem der seinen schließen. Ich kann mir die kranken mentalen Bahnen vorstellen, auf denen der Selbstmord zu dem einen, das Bewusstsein auslöschenden Stoff wird, den einem niemand nehmen kann. Der Wunsch, etwas außer anderen Menschen zu haben, der Wunsch nach einem Geheimnis, der Wunsch nach einer letzten verzweifelten narzisstischen Bestätigung der Vorrangstellung des Ichs, und dann der lüsterne Selbsthass im Vorgefühl des letzten großen Treffers und der finale Abbruch des Kontakts mit einer Welt, die einem den Spaß an der selbstbezogenen Freude verweigert: Bis dahin kann ich David folgen.
Es ist, zugegeben, schwerer, die infantile Wut und die dislozierten mörderischen Impulse nachzuvollziehen, die in gewissen Umständen seines Todes sichtbar werden. Doch sogar hier kann ich eine Wallace-Zerrspiegel-Logik erkennen, eine perverse Sehnsucht nach intellektueller Aufrichtigkeit und Konsequenz. Um den Tod, zu dem er sich selbst verurteilt hatte, auch zu verdienen, musste die Vollstreckung des Urteils jemanden tief verletzen. Um ein für alle Mal zu beweisen, dass er es wahrhaft nicht verdiente, geliebt zu werden, war es nötig, die, die ihn am meisten liebten, so abscheulich wie möglich zu
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